Witten. . Meist bringen Eltern ihren Nachwuchs mit dem Auto zur Grundschule. Laut Polizei ist das eine falsch verstandene Sorge um ihre Sicherheit.

Nina wird täglich mit ihrem Auto zur Schule gefahren – morgens hin und mittags zurück. Die Zehnjährige findet das doof: „Ich würde lieber mit dem Fahrrad fahren oder endlich ein Schokoticket kriegen.“ Die meisten Wittener Schüler werden von ihren Eltern zur Schule gebracht, oft aus Sorge um die Sicherheit des Kindes, sagt Roland Deckenhoff von der Abteilung Verkehrsunfallprävention der Polizei. Dabei seien die Elterntaxis selbst die größte Gefahr für die Kinder.

Die Rudolf-Steiner-Schule an der Billerbeckstraße, zur Mittagszeit: Der Parkplatz zwischen Waldorf-Kita und Schule ist komplett belegt. Mütter warten in ihren Autos auf den Nachwuchs – oft in großen Wagen wie VW Bullis oder Siebensitzern. An der Waldorfschule gibt es besonders viele Elterntaxis, weil viele Schüler aus den Nachbarstädten kommen.

Viele Eltern bilden Fahrgemeinschaften

Die dreifache Mutter Anne Rossow fährt täglich die Route Wengern-Witten. „Die Busse sind so übervoll, da muss sich kein Erstklässler reinschubsen“, findet sie. Und sagt aber auch: „Ich glaube schon, dass manche Eltern Schwierigkeiten haben, ihre Kinder allein auf den Schulweg zu schicken.“

Auch Jennifer Weishaupt chauffiert an diesem Tag Kinder, sie ist Teil einer Fahrgemeinschaft. „Bei der Einschulungsfeier konnten wir auf einer Karte sehen, wo welches Kind wohnt. Dabei ergaben sich Kontakte. Nun wechseln die Mütter sich ab.“ Aber ihre achtjährige Tochter nimmt häufig das Fahrrad von Heven zur Schule. „Wenn die morgens im Dunkeln mit ihrer Warnweste losradelt, ist man schon besorgt“, gesteht Weishaupt.

In Witten beobachtet Polizist Roland Sentheim die Verkehrssituation vor den Schulen. Bei der Rudolf Steiner Schule lobt er, dass viele Eltern ihre Kinder auf dem Parkplatz eines Supermarktes aussteigen lassen, damit sie zumindest einen kleinen Teil des Wegs selbstständig laufen.

Hüllbergschule besonders schlimm

Am schlimmsten in Witten sei die „Elterntaxi“-Situation an der Hüllberg-Schule. „Dort sind die üblichen falschen Verhaltensweisen der Eltern zum Schulbeginn in den Morgenstunden zu erkennen“, sagt Sentheim. „Da wird mit Fahrzeugen in der Halteverbotszone gehalten und geparkt. Die Kinder werden aus der zur Fahrtrichtung linken Seite des Autos herausgelassen und stehen dann mittig auf der Fahrbahn. Selbst bei Anwesenheit der Polizei zeigen sich die Erwachsenen uneinsichtig.“ Wenn Sentheim die Eltern anspricht, hört er häufig die gleichen Argumente: „Ich will mein Kind sicher und gefahrlos zur Schule bringen.“ Oder: „Ich stehe ja nur kurz hier.“

Nach Angaben der Deutschen Verkehrswacht verunglücken Kinder am häufigsten im elterlichen Auto und nicht als Fußgänger. Zudem ist das Bewusstsein für Gefahrensituationen bei Kindern größer, die ihren Schulweg allein bewältigen. Doch den Kampf gegen die Bring-Dienst-Manier können Polizei und Schulen wohl nicht gewinnen – obwohl die Schulwegsicherheit regelmäßig Thema bei Elternabenden ist und die Polizei auch viel Aufklärungsarbeit leistet.

Roland Sentheim ist erleichtert, dass an den meisten Wittener Schulen ein Umdenken eingesetzt hat und sich das morgendliche Chaos vorm Schultor entspannt. Die Eltern kutschieren zwar nach wie vor ihren Nachwuchs zur Schule. „Aber viele nutzen einen Haltepunkt in der Nähe und nicht mehr direkt davor.“

>> Verkehrserziehung nur an den Grundschulen

Direkt nach den Sommerferien führt die Polizei Aktionen zur Schulwegsicherung durch. Dann stehen Polizisten morgens an den Grundschulen, beobachten die Halte-Situationen und prüfen die Kindersitze in den Autos.

Eine Verkehrsaufklärung findet an weiterführenden Schulen nicht statt – außer bei Anfragen seitens der Schulen. „Für das Albert-Martmöller-Gymnasium haben wir eine Unterrichtseinheit mit Experimenten, Filmbeiträgen und Aufgaben zum Thema ‘Handy-Ablenkung im Straßenverkehr’ ausgearbeitet“, sagt Roland Deckenhoff.

Als positives Beispiel für Verkehrserziehung nennt Deckenhoff die Harkortschule in Stockum. Dort seien die Lehrer regelmäßig „zum Üben“ mit den Kindern im Stadtteil unterwegs.