Witten. . Die Wittener Mentor-Gruppe sucht Menschen, die Grundschülern helfen, Texte zu entziffern. Vor allem für die Innenstadt-Schulen gibt es Bedarf.
Seit vier Jahren kümmern sich in Witten Ehrenamtliche um kleine Lesemuffel. Ellen Bobe-Kemper besucht zum Beispiel jede Woche an der Grundschule Rüdinghausen ein türkisches Mädchen. Heide Kalkoff konnte einen Jungen für Worte begeistern, nachdem sie das „Guinness-Buch der Rekorde“ aus der Tasche zauberte. Doch obwohl sich mittlerweile 77 Lesementoren in Witten engagieren, gibt es eine lange Liste von Kindern, denen Hilfe gut täte.
„Vor allem gibt es Bedarf in den Innenstadtschulen – also Gerichts-, Bruch-, Crengeldanz- und Breddeschule“, sagt Organisatorin Heide Kalkoff (76). Das Mentor-Projekt ist bei der Bibliothek beheimatet. Dort gibt es zum Beispiel Materialien – Bücher oder Spiele –, auf die die Ehrenamtler zurückgreifen können. Dort finden auch Schulungen oder besondere Abende statt, wie kürzlich eine Lesung mit Autor Frank Goosen, der die Initiative unterstützt. „Wertschätzung und Austausch für die Lesementoren ist wichtig, denn vor Ort sind sie ja Einzelkämpfer“, sagt Ellen Bobe-Kemper (65). „Obwohl die Lehrer an den Grundschulen immer sehr hilfsbereit sind.“
Unser Motto heißt: Bildung durch Bindung
Und wie läuft das Projekt? Etwa eine Schulstunde Zeit sollte man sich pro Woche nehmen und sein „Lesekind“ über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren begleiten. „Unser Motto heißt: Bildung durch Bindung“, sagt Heide Kalkoff. Ein ganzes Buch können die Grundschüler noch nicht lesen, eher kürzere Texte. Besonders verlockend sind die Witze in der Kinderzeitung. „Und zur Auflockerung spielen wir zwischendurch Memory oder ein Würfelspiel.“ Die Lesekinder haben meist einen Migrationshintergrund oder tun sich schlicht mit Worten schwer.
Auch einige pensionierte Lehrer engagieren sich bei Mentor. Wie Bernd Oehler, der an der Helene-Lohmann-Realschule zwei Geschwister betreut, die mit ihrer Familie vor Kurzem aus Polen nach Witten zogen. „Das ist eine sehr befriedigende Arbeit“, sagt er, „ein Ehrenamt, das Freude bringt.“ Und verliert man als Leselernhelfer nicht die Lust am Vorlesen? Ellen Bobe-Kemper verweist resolut auf einen Stapel Kinderbücher. „Von wegen! Ich lese meinen Enkeln jetzt mehr denn je vor!“
>> Richard David Precht spendete Bücher
An Weihnachten konnten die Lesementoren ihren Schützlingen übrigens ein besonderes Geschenk machen: Der Bestsellerautor Richard David Precht hatte bei der TV-Sendung „Wer wird Millionär?“ mitgemacht und seinen Gewinn an das Projekt gespendet.
Über 100 Wittener Kindern wurde davon je ein Buch gekauft, das der jeweilige Mentor individuell aussuchte. „Es wäre toll, wenn wir auch diesmal für Weihnachten einen Sponsor hätten“, so Heide Kalkoff.