witten. . Die Wittener Ärztin Dr. Angela Sänger hat in einem Heim für Holocaustüberlebende in Haifa gearbeitet. Hier berichtet sie über die Reiseerfahrung.

„Es gibt noch etwa 180 000 Holocaust-Überlebende. Viele von ihnen sind sehr arm. Deshalb ist auch das Heim in Haifa entstanden“, sagt Dr. Angela Sänger, die dort von März bis Oktober volontierte. Die 49-jährige Wittenerin legte dazu ein Sabbatjahr ein.

50 Bewohner leben in dem Heim in eigenen Wohnungen. „Außerdem gibt es dort ein Museum, wo die Geschichten dieser Menschen dargestellt sind. Etwa in Fotos, Videos oder Dokumenten aus den Konzentrationslagern“, so Angela Sänger. „Das wichtigste Anliegen der Bewohner ist, dass der Holocaust nicht vergessen wird, wenn sie gestorben sind.“ Einige Besucher hätten gemeinsam mit ihr das Museum besucht. „Sie haben dann zum Beispiel erzählt, wie sie sich vor den Nazis im Wald versteckt haben.“

Die Bewohner sind zwischen 80 und 90 Jahren, die älteste Frau ist 99. Sie kommen aus Deutschland, Polen, der Ukraine, Rumänien und Russland. „Die meisten haben sehr positiv reagiert, dass ich da war. Mit vielen habe ich auch Deutsch gesprochen. Aber ich hab auch von Leuten gehört, die in Israel waren, dass sich Menschen mit diesen Schicksalen weigern, deutsch zu sprechen“, sagt die Wittenerin. Einige der Heimbewohner seien durch ihre Holocaust-Erlebnisse bis heute traumatisiert gewesen.

Um zwei Patienten habe sie sich besonders gekümmert. Der eine war ein 90-jähriger Dementer, den sie dreimal täglich aufsuchte, damit er seine Tabletten nahm und morgens Insulin spritzte. In seinem Fall war es auch von Vorteil, dass Angela Sänger über die Wundbehandlung mit Honig promoviert hatte: „Denn er hatte eine Hautveränderung, die weggeschnitten wurde. Die offene Wunde habe ich dann drei Wochen mit Honig behandelt, bis sie komplett zu war.“

Der zweite war ein 91-Jähriger, der mit seiner Frau eine 24-Stunden-Pflegebetreuung hatte. Vor zwei Jahren hatte der Mann einen Schlaganfall erlitten und seitdem eine Linksseitenschwäche und war bettlägerig. Mit ihm absolvierte die Ärztin Aktivierungsübungen, bis er aufstehen und gehen konnte.

  Herzlich war die Beziehung zum Ehepaar Etta und Boris Zellickson.
  Herzlich war die Beziehung zum Ehepaar Etta und Boris Zellickson. © Foto: Sänger

Für Israel kann sich Angela Sänger begeistern, seit sie 2016 mit einer Reisegruppe dort war. „Ich hatte das Gefühl, zu Hause angekommen zu sein. Ich war schon in vielen Ländern. Aber dort hatte ich ein so starkes Gefühl nicht“, sagt sie. Um das Volontariat hatte sie sich beim Jüdischen Nationalfonds und bei der Internationalen Christlichen Botschaft Jerusalem beworben. „Es ist schon sehr anders, ob man Tourist in einem Land ist oder dort arbeitet“, hat sie während des Volontariats festgestellt. Während ihrer Freizeit war sie nicht nur in Jerusalem und am See Genezareth, sondern sie lernte auch eine Deutsche kennen, die mit einem Israeli verheiratet war und mit dem sie viel unternahm. „Elke besucht jetzt hier ihre Familie. Im Laufe der Woche wollen wir uns auch treffen“. sagt die Wittenerin.

Haifa sei eine Stadt mit gemischter jüdisch-arabischer Bevölkerung. Es herrsche dort eine entspannte Stimmung. Nachdenklich stimme, dass
120 000 Raketen im Libanon von der Hisbolla auf Israel gerichtet seien und Haifa nur 50 Kilometer von der Grenze entfernt liege, so Angela Sänger. Nach Israel fahre sie auf jeden Fall nochmal, betont sie. Und ergänzt: „Die militärische Präsenz herrscht überall. Trotzdem habe ich mich nicht bedroht gefühlt. Im Gegenteil. Das Militär empfand ich eher als zusätzliche Sicherheit.“