Witten. . Er kam ohne Arme und Beine zur Welt. Das hindert Janis McDavid an nichts. Allerhöchstens daran, in Regelstudienzeit in Witten fertig zu werden.

Janis McDavid ist 27 Jahre alt, studiert an der Universität Witten/Herdecke Wirtschaftswissenschaften und arbeitet als selbstständiger Motivationstrainer. Er hält Vorträge vor hochrangigen Managern ebenso wie vor Kindern in Entwicklungsländern. Sein erstes Buch hat er vor zwei Jahren veröffentlicht. Seine letzte Reise führte ihn nach Peru: Gemeinsam mit Freunden erklomm Janis die Höhen der weltberühmten Inka-Ruinenstadt Machu Picchu – im Rucksack sitzend. Denn Janis kam ohne Arme und Beine zur Welt. Stephanie Heske traf ihn zum Gespräch.

Herr McDavid, wie stelle ich mir Ihren Alltag vor?

Den gibt es gar nicht. Ich pendle zwischen Bochum, Berlin und den Orten, an denen ich Vorträge halte. Allein im letzten Jahr waren das 70 Stück. Gestern dann habe ich zum Beispiel das Exposé für meine Bachelor-Arbeit fertiggestellt, heute morgen meine Steuererklärung gemacht (lacht). Morgen geht es nach Berlin zu einem Vortrag. Aber das ist genau richtig, ich werde verrückt, wenn zwei Tage gleich aussehen.

Das klingt stressig und auch schwierig...

Das geht nur , wenn drei Punkte erfüllt sind: erstens exakte Organisation. Es muss alles passen. Zweitens muss es auch Spaß machen. Und drittens geht das alles nur, wenn ich zwischendurch einen Ausgleich habe. So wie meinen Urlaub in Peru.

Auf dem Rücken seiner Freunde wanderte Janis in fünf Tagen den Salkantay-Pfad zur alten Inka-Stadt Machu Picchu.
Auf dem Rücken seiner Freunde wanderte Janis in fünf Tagen den Salkantay-Pfad zur alten Inka-Stadt Machu Picchu. © Sven Hasse

Wann haben Sie sich entschieden, offensiv mit ihrer Situation umzugehen?

Das kam nach und nach. 2012 habe ich meinen ersten Vortrag gehalten. Das war in einem kleinen Autohaus am Tag der offenen Tür. Der Chef kannte mich, weil dort mein Auto für mich umgerüstet wurde. Das Feedback der Zuhörer hat mir gezeigt, dass ich etwas bewegen kann. Das war der ausschlaggebende Punkt. 2013 traf ich dann meinen jetzigen Mentor. Er hat mich motiviert, diesen Weg zu gehen. Und ich brenne für meine Arbeit, sie erfüllt mich. Es gibt nichts Größeres, als andere Menschen zu inspirieren und durch meine Vorträge und pure Präsenz das ein oder andere Fenster in ihren Köpfen zu öffnen.

Was war das schönste Feedback, das Sie erhalten haben?

Im Gedächtnis geblieben ist mir die Begegnung mit einem etwa zwölfjährigen Mädchen im Rollstuhl in Bangladesch. Sie hatte bis zu diesem Tag nicht daran gedacht, die Schule zu besuchen. Nach meinem Vortrag kam sie zu mir und ich habe den Kampfgeist in ihren Augen aufblitzen sehen.

Gibt es für Sie denn noch irgendetwas, das Sie als Hindernis wahrnehmen?

Was Janis McDavid sich in den Kopf setzt, zieht er auch durch.
Was Janis McDavid sich in den Kopf setzt, zieht er auch durch. © Jürgen Theobald

Langsame Computer! (lacht) Die sind das schlimmste Hindernis überhaupt! Ich bin ja von Hightech umgeben, mein Rollstuhl ist zum Beispiel komplett vernetzt. Technik ist für mich dazu da, mein Leben zu erleichtern, nicht mich auszubremsen. Ansonsten gibt es relativ wenige Hindernisse in meinem Alltag. Es kann sein, dass ich mal einen schlechten Tag habe, dann hindert mich das auch an vielem (lacht). Ich suche mir meinen Alltag natürlich auch bewusst aus, weiß zum Beispiel, welche Restaurants barrierefrei sind und suche mir so meine Wege.

Gibt es etwas, das Sie sich vorgenommen haben, aber nicht umsetzen konnten?

(Überlegt lange) Mein Studium tatsächlich mal abzuschließen, das hat bislang nicht geklappt (lacht). Ich muss gestehen, ich bin ein absoluter Langzeitstudent und jetzt im 14. Semester. Aber das kommt noch. Sonst, nichts Großes. Für mich sind immer zwei Faktoren wichtig. Zum einen: Kann ich mich an meinem Ziel sehen? Jetzt schon spüren, wie es sich anfühlen wird? Das zeigt mir die Machbarkeit. Gerade wenn es Sachen sind, die ich noch nie gemacht habe.

In Bochum aufgewachsen und zur Schule gegangen

Janis McDavid kam 1991 in Hamburg zur Welt. Er wuchs bei Pflegeeltern in Bochum auf und besuchte die Waldorfschule in Langendreer.

Sein 2016 im Herder-Verlag erschienenes Buch heißt: „Dein bestes Leben – Vom Mut über sich selbst hinauszuwachsen und Unmögliches möglich zu machen“.

Und der zweite Punkt?

Das ist mein sogenannter „Kopfschüttel-Index“. Der zeigt mir an, ob ich auf dem richtigen Weg bin. Je mehr Menschen den Kopf schütteln, wenn ich von meinem Projekt erzähle, desto höher der Index – und desto besser. Dann gibt es nur noch eine Sache, die wichtig ist: Anfangen. Das ist leicht gesagt, aber es ist tatsächlich so leicht. Das ist das ganze Geheimnis. Und notfalls auch mal auf die Nase fliegen. Natürlich hat auch nicht alles sofort auf Anhieb geklappt, was ich mir überlegt habe.

Zum Beispiel?

Mein Auslandssemester in London zu organisieren hat ein Jahr gedauert. Es war extrem schwierig, auch die Uni dort hat sich etwas quer gestellt. Aber ich habe nicht aufgegeben, sondern überlegt, was ich tun muss, dass es doch klappt.

Was sind Ihre nächsten Ziele?

Irgendwann möchte ich auf den Himalaya. Beruflich würde ich gerne meine Zuhörerzahlen toppen, da liegt mein Rekord bei 2000. Und Fallschirmspringen! Die Vorbereitungen habe ich bereits in Angriff genommen. Mit einem Tandem-Sprung sollte das klappen.