Witten. . Autohäuser in Witten warten nach dem Diesel-Kompromiss auf konkrete Ansagen. Die Stadt könnte vom Programm profitieren, weil sie an Bochum grenzt.

Nach zähen Verhandlungen hat sich die Große Koalition auf den Diesel-Kompromiss geeinigt, der sich offiziell „Konzept für saubere Luft“ nennt. „Das Konzept betrifft auch direkt Kommunen, Geschäftsleute und private Autobesitzer im EN-Kreis“, sagt SPD-Bundestagsabgeordneter Kapschack.

Das Papier der Bundesregierung sieht unter anderem vor, dass Diesel-Halter ihr Fahrzeug entweder gefördert durch Prämien und Rabatte umtauschen (Euro 4 und 5) oder nachrüsten (Euro 5) lassen können – allerdings nur in 14 besonders stark belasteten Städten, in denen der Jahresmittelwert an Stickoxiden höher als 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft war, wie etwa in Bochum.

Auch angrenzende Landkreise sollen unterstützt werden

„Hinzu kommen diejenigen, die aus beruflichen Gründen in diese Städte pendeln müssen, die als Selbstständige ihren Firmensitz dort haben sowie Bewohner angrenzender Landkreise. Nach meinem Verständnis müssen also auch Diesel-Besitzer im EN-Kreis von den Angeboten profitieren“, sagt Ralf Kapschack. 64.632 Fahrzeuge mit Dieselmotor sind aktuell im gesamten Kreis registriert, das ist etwa jedes vierte Auto.

Bei Händlern und Kunden in Witten herrscht Unsicherheit. „Wir müssen abwarten, was aus Stuttgart kommt“, teilt etwa Mercedes-Händler Lueg mit. Auch bei Auto Naumann in Rüdinghausen mit Schwerpunkt Seat heißt es, alles sei in der Schwebe. Prämien zahlt der Autohändler deshalb aktuell nicht. Er wartet auf klare Ansagen vom Hersteller. Ob und in welcher Höhe die Autokonzerne beim Umtausch eines Diesels Prämien zahlen oder Rabatte gewähren, ist ihnen überlassen.

Umtausch-Prämien als Etikettenschwindel

Für Nissan-Händler Carsten Warhold sind die ausgelobten Prämien ein Etikettenschwindel: „Das ist einfach ein Verkaufsförderprogramm. Nur bekommt das Kind einen anderen Namen.“ Aber: Bis zu 5400 Euro könne er seinen Kunden nun für einen gebrauchten Nissan-Diesel als Prämie anbieten, das habe ihm der Autobauer kürzlich mitgeteilt.

Dienstfahrzeuge der Städte sollen nachgerüstet werden

Das neue Diesel-Konzept sieht vor, Kommunen, die den EU-Richtwert von 40 Mikrogramm Stickoxide pro Kubikmeter Luft überschreiten, zu unterstützen. In Witten lag dieser Wert 2017 bei 43 Mikrogramm(Ruhrstraße).

In diesen Kommunen sollen „Kommunalfahrzeuge“ über 3,5 Tonnen, also etwa Müllwagen, nachgerüstet werden. 80 Prozent der Kosten will die Bundesregierung tragen, 20 Prozent entfallen auf die Kommunen.

Das Problem ist nur: Was passiert mit den gebrauchten Fahrzeugen? Schon heute stehen nach Angaben des Verbands des Kraftfahrzeuggewerbes NRW rund 300.000 unverkäufliche Euro-5-Diesel auf den Höfen der Händler. Um weiterverkauft werden zu können, müssten auch diese nachgerüstet werden. Geht es nach der Bundesregierung, sollen dafür in den 14 am stärksten belasteten Städten die Hersteller aufkommen. Diese signalisieren dazu bislang aber wenig Bereitschaft.

„Was die Regierung sich da ausgedacht hat, ist nicht nachvollziehbar und vollkommen halbherzig“, schimpft Diesel-Fahrer Günter Eggers, den wir am Freitag an der Shell-Tankstelle am Crengeldanz treffen. „Das ist alles Augenwischerei, in Anspruch nehmen werde ich davon gar nichts.“ Ähnlich sieht es Muharrem Körükcü. Er fährt einen VW Touran, Baujahr 2005. „Vor drei Jahren habe ich den nachrüsten lassen, um die grüne Plakette zu bekommen. Und jetzt?“ Für den 55-Jährigen steht fest: Das nächste Auto wird ein Benziner.