Witten. . Seit zehn Jahren unterstützt das Projekt Jugendliche. Paten und Coaches helfen dabei – und manch einer hat früher selbst Unterstützung benötigt.
Shaza Aliebid (16) traute sich einfach nicht, wenn ihre Lehrerin im Unterricht eine Frage stellte. Ihr Arm blieb unten. Heute ist es anders. Ein Grund: Die Betreuung, die sie im Rahmen des Förderprogramms „Kontrakt“ erhielt. Die Idee: Stadt und Unternehmen stellen Geld zur Verfügung, Studierende übernehmen das „Coaching“. Shazas Betreuer halfen ihr nicht nur bei den Hausaufgaben. „Sie haben mich nach meinen Stärken gefragt und mir Mut gemacht“, erzählt sie. Richtig oder falsch? Nicht so wichtig: Heute zeigt die Syrerin, die vor drei Jahren nach Deutschland kam, im Unterricht auf.
An diesem Mittwochabend sitzt sie mit über dreißig anderen Schülern im Ratskeller. Ein üppiges Buffet ist aufgetischt, Fotos werden geknipst – das Förderprojekt feierte seinen zehnten Geburtstag. Mehr als 160 Kindern wie Jugendlichen mit Migrationshintergrund oder aus Arbeiterfamilien wurde seit 2008 finanziell unter die Arme gegriffen. „Wir achten nicht auf die Zensuren“, sagt Claudia Formann, Integrationsbeauftragte der Stadt und erste Vorsitzende von „Kontrakt“. Denn bessere Noten seien ja nur ein Ziel des dreijährigen Förder-Projekts. Dazu gehören Unterstützung bei den Hausaufgaben, Bewerbungen oder Vorstellungsgespräche.
Von Anfang an dabei
Darum kümmert sich aktuell auch Tolga Demivkoilic. Der Informatik-Student setzt sich nach der Uni regelmäßig mit fünf Kindern zusammen. Angetan ist der 21-Jährige vor allem von der Entwicklung, die er bei seinen „Schützlingen“ beobachten konnte: „Wenn man einen persönlichen Zugang zu ihnen gewinnt und sieht, wie man ihnen geholfen hat, ist das schon krass.“
Für die Schüler selbst kann es ab der achten Klasse mit der Patenschaft losgehen. Diesen Sommer wurden einige Kinder aus dem dreijährigen „Coaching“ entlassen, 13 neue sind hinzugekommen und haben ihre Paten gefunden.
Martina Kalbe ist bereits von Anfang an dabei. Ihr Unternehmen Boesner stellt Künstlermaterial her und fördert aktuell den Schüler Siad. Dass es ihn nun in eine andere, nämliche die Automobil-Branche zieht, stört seine Patin jedoch nicht, wie sie versichert.
Früher gefördert, heute Förderin
Denn es soll auch darum gehen, dass die Kinder erst mal Fähigkeiten entdecken und Selbstbewusstsein tanken. So wie Melak Maskounee. Die 15-Jährige verließ erst vor 20 Monaten den Irak. „Als ich nach Deutschland kam, wollte ich Lehrerin werden“, erzählt Melak. Lange Zeit hat sie sich das nicht zugetraut. Zu groß war die Verunsicherung im Schulalltag. Nun habe sie aber ein festes Ziel vor Augen: Irgendwann möchte sie selbst vorne an der Tafel stehen und unterrichten.
Ähnliche Schwierigkeiten hatte auch Kübra Karapinar, wie sie erzählt: „Meine Eltern konnten gar kein Deutsch und mir nicht bei den Hausaufgaben helfen.“ Von 2011 bis 2014 erhielt sie durch die Patenschaft der Bochumer MINT-Stiftung eine Förderung. Mit Erfolg. Denn heute studiert Kübra an der TU in Dortmund Deutsch und Sozialwissenschaften. Auf Lehramt natürlich. Denn ihre Erfahrungen möchte die 21-Jährige weitergeben. Im nächsten Jahr auch als Coach bei „Kontrakt“: „Die Kinder sehen ja, dass ich es geschafft habe.“
>> INFO: Förderer gesucht
Aktuell werden von „Kontrakt“ weitere Förderer gesucht. Für eine Patenschaft sind rund 700 Euro wünschenswert.
Studierende können mehrere Kinder betreuen und erhalten für das „Coaching“ 15 Euro pro Stunde.
Interessenten melden sich bei Claudia Formann von der städtischen Stabstelle für Integration, 581-1011; oder per Mail an integration@stadt-witten.de