Witten. . Menschen mit Behinderung, die Narkose und Nachsorge brauchen, konnten bisher nicht zahnärztlich versorgt werden. Das soll sich nun ändern.
Es gibt viele Menschen, die gehen nicht gerne zum Zahnarzt. Und dann gibt es die, die würden gerne – aber es geht nicht. Patienten mit schweren Vorerkrankungen oder Behinderungen, die auf eine Zahn-OP mit Vollnarkose und stationärer Nachsorge angewiesen sind, konnten in Witten bislang nicht behandelt werden. Das will Torsten Schudlich, Leiter der Zahnklinik am Marien-Hospital, nun ändern. Dafür wurde eine mobile Dental-Einheit mit Bohrern und Saugern entwickelt, die in einen normalen OP-Saal geschoben werden kann.
„Bei manchen Patienten ist eine Narkose zu heikel“
Für manche Patienten bedeutet dieses Angebot, dass sie zum ersten Mal zahnmedizinisch betreut werden können. „Bei Schwerst- und Mehrfachbehinderten, bei Herzleiden oder manchmal auch bei einer fortgeschrittenen Demenz ist eine Vollnarkose in der Praxis einfach zu heikel“, erklärt Schudlich.
In solchen Fällen brauche es ein Team von Ärzten – Anästhesisten, Kardiologen, Internisten –, die im Notfall eingreifen könnten. Das stehe dank der Kooperation der Zahnklinik mit dem Marien-Hospital nun zur Verfügung. Nach der OP könne der Patient zudem stationär aufgenommen und überwacht werden.
„Wir bieten die zahnmedizinische Grundversorgung“
Ein Angebot, das in dieser Kombination – so Schudlich – in ganz NRW einmalig ist. Zwar gebe es Mund- und Kieferchirurgische Spezialkliniken. Dort könnten Zähne aber nur gezogen werden. In einer Zahnklinik fehle hingegen die stationäre Überwachung und Nachversorgung der Risikopatienten. „Wir können ihnen jetzt endlich die komplette zahnmedizinische Grundversorgung anbieten – von Füllungen über Brücken bis zu Implantaten.“
Wie eine Praxis im Kleinen
Die mobile Behandlungs-Einheit wurde in der Schweiz gebaut. Sie ist komplett autark: Wasser-, Druckluft- und Abflussleitungen sind integriert. Sie beinhaltet alles, was für eine Behandlung nötig ist, wie eine Zahnarzt-Praxis im Kleinen.
Die Einheit benötigt nur eine Steckdose und kann so von OP zu OP geschoben werden. Sie kostet etwa so viel „wie ein kleiner Golf“, so Schudlich.
Im August war die mobile Behandlungs-Einheit zum ersten Mal im Einsatz. Seitdem häuften sich die Anfragen, sagt der Zahnarzt. Und die Patienten nähmen weite Wege auf sich. „Neulich war ein Achtjähriger aus dem Sauerland da, der wegen eines seltenen Syndroms nicht normal beatmet werden konnte“, so Schudlich. Für den Jungen sei es das erste Mal gewesen, dass sich jemand die Zähne angesehen habe. „Und das war dringend nötig.“
„Es waren schon viele Vertreter von Heimen da“
In einem anderen Fall habe man einen älterer Alzheimer-Kranken mit Zahnersatz versorgen können. Noch im OP seien Abdrücke gefertigt worden, so dass keine zweite Narkose notwendig gewesen sei. „Seine Frau haben wir mit aufgenommen, damit der Patient nicht alleine bleiben musste“, sagt Sebastian Schulz von der Geschäftsführung des Marien-Hospitals.
Möglich, dass Schudlich künftig häufiger in den OP des Krankenhauses wechseln muss. Das Interesse an dem Modell sei jedenfalls groß. „Es waren schon viele Vertreter von Heimen und der Lebenshilfe da, um sich zu informieren.“