Witten. . 100 Wissenschaftler, darunter 80 aus China, kommen an diesem Wochenende zu einer Weltkonferenz zusammen. Die Politik bleibt nicht ganz draußen.

China rückt in Zeiten von Trump vermehrt in den Fokus deutscher Interessen. Einer, der sich schon seit langem mit dem Reich der Mitte auseinandersetzt, ist Professor Martin Woesler. Der Literaturwissenschaftler hat für dieses Wochenende zur zweiten „Weltkonferenz Chinawissenschaften“ an die Universität Witten/Herdecke geladen.

Rund 100 internationale Wissenschaftler aus 14 Ländern nehmen an der Konferenz teil. Sie befasst sich schwerpunktmäßig mit chinesischer Literatur, aber auch mit der Kultur und Geschichte des Landes. Der wissenschaftliche Austausch untereinander soll dabei im Fokus stehen. Doch die Politik und das restriktive Regime der Volksrepublik strahlen bis nach Witten aus.

Geheimdienstler beim Kongress

„Zu unserem ersten China-Kongress im letzten Jahr kamen auch zwei Teilnehmer, die sich als Mitarbeiter des chinesischen Geheimdienstes herausgestellt und die Wissenschaftler beim Essen nach deren politischer Gesinnung ausgefragt haben“, erinnert sich Woesler.

Viele Jahre Forschung und Lehre im Ausland

Martin Woesler ist seit 2015 Professor am neu geschaffenen Lehrstuhl „Literatur und Kommunikation in China“ an der Universität Witten/Herdecke.

Zuvor war der 58-Jährige Professor für Interkulturelle Kommunikation in München, forschte u.a. in Harvard und Rom.

Er beriet auch schon das Auswärtige Amt und arbeitete für die Deutsche Botschaft und am Goethe-Institut in Peking.

Neben Fachvorträgen gibt es in diesem Jahr erstmals Diskussionsrunden. „Dort sitzen dann westliche und chinesische Forscher an einem Tisch“, sagt der 48-Jährige. Themen der Runden sind etwa „Nationale und internationale Freiheit, Kooperation und Austausch der Forschung und Lehre“. Rund 80 chinesische Forscher kommen nach Witten. „Für die Kollegen ist das eine tolle Möglichkeit, sich auszutauschen und auch hier vor Ort Materialien zu finden, an die sie sonst nicht kommen“, sagt Woesler.

Wie rege der angestrebte Austausch tatsächlich wird, muss sich zeigen. Viele der chinesischen Wissenschaftler würden auch hier nicht frei sprechen. Macht ein Austausch dann überhaupt Sinn? Für Martin Woesler ist das eine Grundsatzfrage. „Man hofft, dass sich die Kollegen doch öffnen, oder wir zumindest besser verstehen, unter welchen Schwierigkeiten sie dort arbeiten. Und der Besuch aus China sieht, wie offen und kritisch man hier diskutieren kann.“

Kameras im Vorlesungsraum

Wie eingeschränkt Wissenschaftler in China arbeiten, weiß Woesler aus eigener Erfahrung. In den letzten Jahren war er regelmäßig als Gast-dozent in Peking. „Dort hängen im Vorlesungsraum zwei Kugelkameras über mir – und über den Studenten hängen weitere Exemplare.“ Sein Doktor-Vater, Helmut Martin, wurde seinerzeit wegen kritischer Äußerungen mit einem Einreiseverbot belegt. Professor Martin Woesler: „Man spürt die Zerrissenheit der dortigen Kollegen. Einerseits haben sie einen großen Wissensdurst. Andererseits wissen sie auch, dass zum Beispiel ein Antrag für ein Forschungsprojekt bessere Chancen hat, wenn Sozialismus drin steht.“