Witten. . Hans Dieter Radkes Herz schlägt für die Burgruine. Im Interview spricht er über Freikletterer, Saufgelage, Video-Überwachung und Denkmalschutz.
Er ist 72, immer noch ganz schön drahtig und liebt Herausforderungen. Deshalb zieht Hans Dieter Radke seinen alten Drahtesel immer noch jedem E-Bike vor. Und wenn er nicht gerade Rad fährt, wandert oder in der Morgenfrische um den halben Stausee joggt, schlägt das Herz des 1973 (aus Bochum) zugewanderten Herbeders ganz für die Ruine Hardenstein. Die Burgfreunde hat er selbst 1974 mit 20 Gleichgesinnten gegründet. Seither, also schon 44 Jahre, ist er ihr Erster Vorsitzender. Und er will weitermachen, „bis ich umkippe“. Dabei wird die Liebe zur Burg bisweilen auf eine harte Probe gestellt, durch mutwillige Zerstörungen, gedankenloses Verhalten oder auch durch mangelnde Unterstützung. Im Sommerinterview beantwortet Hans Dieter Radke Fragen von Lokalredakteur Johannes Kopps.
Was würden Sie am liebsten machen, wenn Sie an der Burgruine ein paar Vandalen auf frischer Tat in die Finger kriegen?
Hans Dieter Radke: Ich würde diese Leute freundlich, aber bestimmt ansprechen und mich ausweisen. Aus meinem Vereinsausweis geht hervor, dass wir als Burgfreunde das Hausrecht haben. Und falls diese Zeitgenossen nicht einsichtig sein sollten und nicht von ihrem Treiben ablassen sollten, dann rufe ich die Polizei. Manchmal muss man die Polizei aber mehrmals anrufen, bis sie kommt. Das haben wir auch schon erlebt.
Das war aber jetzt die abgemilderte, offizielle Vorgehensweise. Wie sieht es aber wirklich in Ihnen drin aus?
Wer richtig Mist macht, den erwischen wir ja selten auf frischer Tat. Aber ich sage manchmal, aber natürlich nur scherzhaft: Wer Burgfrevel begeht, kommt auf die Streckbank. Und der wird danach nie wieder Rückenprobleme haben . . .
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten an die Besucher der Ruine?
Meine Bitte an die Bevölkerung wäre, doch mal darüber nachzudenken, was es mit den Begriffen „Denkmal“ und „Denkmal-Schutz“ auf sich hat. Wir haben hier ein Baudenkmal – aber keine Spieleburg und keinen Abenteuerspielplatz.“
Was bereitet Ihnen zur Zeit Ärger?
Das Besucherverhalten ist teilweise grenzwertig geworden. Das liegt auch etwas am Erfolg des Ruhrtalradwanderwegs. Dadurch ist auch unser Bekanntheitsgrad enorm gestiegen und der touristische Druck hat sich erhöht. Hier kommen nicht mehr nur Menschen auch dem ganzen Ruhrgebiet vorbei. Wir hatten schon Bayern hier, aber auch schon Besucher auch China, Australien und Kanada.
Neue Besucher, neue Probleme?
Nein, die Probleme müssen wir uns wohl selbst zuschreiben. Da gibt es immer noch die Freikletterer, die auf die Mauerkrone klettern und dabei Steine heraustreten. Das Schlimmste sind die illegalen Feten und Saufgelage. Der Plastikmüll und die Pullen bleiben dann liegen, in Sichtweite der Mülltonnen. Das ist hier zum Brennpunkt geworden. Es gibt einfach sehr viele unvernünftige Menschen, denen es an gesundem Menschenverstand und sozialer Kompetenz mangelt. Und das ist noch nicht mal vom Einkommen abhängig. Es gibt immer wieder Reiter, die trotz Durchreitverbots unseren Hauptweg zerstören und uns die Pferdeäpfel wegmachen lassen. Oder Hundehalter, deren Vierbeiner nach Maulwürfen graben und dabei so tiefe Löcher hinterlassen, dass andere hineintreten und umknicken.
Hat sich die neue Videoüberwachung bereits ausgezahlt?
Im Herbst 2017 haben wir in ausreichender Höhe zwei Kameras installiert. Die laufen durch, zeichnen auf, liefern gerichtsverwertbare Bilder, bei denen man auch später noch heranzoomen und etwas erkennen kann. Seitdem die Kameras da sind, hat sich die Zahl der Vandalismus-Vorfälle doch merklich reduziert. Seither gab es nur noch sieben Vorfälle, die ich schriftlich festgehalten habe (holt eine Liste heraus): drei Steine beim Klettern rausgebrochen, Bodenscheinwerfer zerstört, rote Farbe auf die Mauerkrone geschmiert, eine kleine Feuerstelle, Graffiti mit Filzstift . . . sowas muss man natürlich sofort wegmachen. Wenn nicht, fühlen sich diese Leute noch zum Weitermachen animiert.
Warum man die erleuchtete Ruine in der Nacht nicht mehr sieht
Fühlen Sie sich von der Stadt Witten ausreichend unterstützt?
Hans Dieter Radke: Das Betriebsamt kommt einmal in der Woche, um den Müll abzuholen. Das ist das einzige Zugeständnis, das ich der Stadt abringen konnte. Das städtische Ordnungsamt war in 44 Jahren ein einziges Mal hier – keine Zeit, kein Geld, kein Personal. Die Stadt unterstützt uns weder finanziell, noch ideell, noch ordnungsrechtlich. Andererseits macht das Stadtmarketing Werbung mit der Burg.
Warum sieht man eigentlich abends von der Herbeder Straße aus die erleuchtete Burg fast nicht mehr?
Seit der Kulturhauptstadt 2010 ist die Burg nachts beleuchtet. Für den Strom kommen die Stadtwerke auf. Aber der Ruhrverband hat irgendwann eine ganze Reihe von Weiden gepflanzt – eine Ausgleichspflanzung, wie wir dann in Erfahrung gebracht haben. Dadurch ist die historische Sichtachse jetzt total verdeckt. Wir haben den Ruhrverband jetzt erst einmal angeschrieben. Es würde reichen, vier oder fünf Bäume zu versetzen, dann wäre der Blick wieder frei.
Was treibt die Burgfreunde an?
Das geschichtliche Interesse steht im Vordergrund. Man kann die Historie der Burg erforschen, Archivalien sammeln, aber sich auch beim Konservieren und Restaurieren an der frischen Luft kreativ austoben. Und dabei tun wir auch noch etwas Sinnvolles für die Gesellschaft.
Wie sieht’s mit dem Nachwuchs aus?
Unter den 90 zahlenden Mitgliedern gibt es zurzeit noch einen harten Kern von 14 Aktiven, die immer fleißig kommen und mitmachen. Drei oder vier weitere Gründungsmitglieder außer mir selbst sind noch dabei. Ich mache so lange weiter, bis ich umkippe. Aber ich hoffe, dass sich junge Menschen finden lassen, die unser Lebenswerk weiterführen wollen. Ich wünschte mir aber auch, dass unsere Arbeit mehr öffentlich anerkannt und wertgeschätzt wird. Das würde auch andere motivieren, bei uns mitzumachen und Mitglied zu werden.
>> Tag des offenen Denkmals
Hans Dieter Radke (72) machte eine Doppellehre zum Maler & Lackierer und Schildermacher & Lichtreklamehersteller. Er war vier Jahre beim Bund (Unteroffizier), dann bis 2008 Schwimmmeister, vor allem im Hallenbad Herbede. Er ist seit 49 Jahren verheiratet und hat zwei Töchter.
Am Tag des offenen Denkmals am 9. September (Sonntag) erwarten die Burgfreunde Besucher ab 11 Uhr an der Ruine mit Infostand sowie Grill & Getränken. Sie haben auch mittelalterliche Gruppen eingeladen. Info: burgfreunde-hardenstein.de