witten. . Witten benötigt mittelfristig über 1600 neue Wohnungen und Einfamilienhäuser. Wer braucht sie besonders? Darüber diskutierte jetzt die Politik.
Der Entwurf für das „Handlungskonzept Wohnen Witten 2030“ hat nach dem Stadtentwicklungsausschuss (ASU) nun auch mehrheitlich den Segen des Rates bekommen. Das umfangreiche Werk veranschlagt den Bedarf in den nächsten zwölf Jahren mit 1600 bis 1800 Wohneinheiten. Benötigt werden demnach etwa 650 Einfamilienhäuser, 600 öffentlich geförderte Wohnungen, 130 frei finanzierte und 200 Eigentumswohnungen.
Gegen die Stimmen von Linken, Piraten, Bürgerforum und Auf Witten passierte der Entwurf die Politik. Schon im ASU hatten sich SPD und CDU positiv dazu geäußert. Unionsfraktions-Vize Arnulf Rybicki widersprach der Kritik der Linkspartei an einer zu hohen Eigentumsquote. Wer etwas von seinem Vermögen in Witten investiere, bekenne sich zur Stadt, sagte der CDU-Politiker. „Junge Familien sind genau die, die wir haben wollen“, so Rybicki. „Und jeder, der Eigentum bildet, macht eine Wohnung frei“, sagte er ebenfalls an die Adresse der Linkspartei, die ausschließlich sozial geförderten Wohnungsbau gefordert hatte.
Rybicki griff die Aussage von Michael Neitzel auf, dem Geschäftsführer von „Inwis“, einem Forschungsinstitut für das Wohnungswesen, das das Handlungskonzept erstellt hat, wonach Witten mit 30 Prozent deutlich unter der Eigentumsquote in NRW, Deutschland und Europa liege. Insofern sei es positiv, Wert auf die Eigentumsentwicklung zu legen. Rybicki sprach von einem „ausgewogenen Konzept“.
Das sah Hermann Claßen vom Bürgerforum anders. „Sie können nicht einfach bauen, ohne die Infrastruktur zu sehen“, sagte er. „Wer kümmert sich denn zum Beispiel um die Kinder?“ Claßen griff auch Klaus Wiegand von der SPD an, der gesagt hatte: Man könne auf diesem Konzept aufbauen und werde sich weiter wie bisher für sozialen Wohnungsbau einsetzen. Wiegand: „Wir reizen alle Möglichkeiten aus, auch bei den Eigenheimen.“ Sonst werde man Bürger an andere Städte verlieren. Claßen stellte das Gegenteil fest: „Ich sehe keine Sozialwohnungen. Wir reißen doch welche ab.“ Er wisse auch gar nicht, wo die benötigten Flächen herkommen sollen. „Wir können Witten ja nicht wie einen Luftballon aufblasen.“
Carsten Samoticha von den Linken sagte, dass der Anteil einkommensschwacher Haushalte, die sich eine Neubauwohnung gar nicht leisten könnten, höher als von Iwis angegeben sei. Deren Zahlen (ein Viertel) basierten auf 2010 und seien „Makulatur“. Samoticha bezifferte die Quote mit „32 bis 44 Prozent“. Roland Löpke von den Piraten zeigte sich genervt, wenn immer wieder die „Schiene Arm und Reich“ strapaziert werde. Der Fraktionsvorsitzende: „Wichtig ist, Witten als Wohnort für alle zu stärken.“
Wohngeld wird oft nicht in Anspruch genommen
Er erlebe oft, dass einkommensschwache Haushalte trotz des Anspruchs auf Wohngeld gar nicht davon Gebrauch machen würden, sagte Michael Neitzel von Inwis. Er appellierte an die Politik: „Diese Menschen muss man mit bezahlbarem Wohnraum versorgen.“ Die Zahl der preisgebundenen, öffentlich geförderten Wohnungen gehe aber immer weiter zurück, von heute 2500 auf nur noch geschätzte 1000 im Jahr 2030. Dem müsse man entgegenwirken, so Neitzel.
Stadtbaurat Stefan Rommelfanger sagte, das Handlungskonzept Wohnen löse zwar „nicht alle Probleme dieser Stadt“. Er sprach aber von einem „Steinbruch guter Ideen“, einer Prognose für die nächsten 15 Jahre, die auch eine gute Grundlage für Investoren sei.Viele Flächen seien im Flächennutzungsplan von 2009 als Wohnbaufläche ausgewiesen. Nun gelte es, diese Areale zu aktivieren.
Innenentwicklung komme aber vor Außenentwicklung, womit Rommelfanger vor einer Zersiedelung im Grünen warnte. Nun gelte es, an die Umsetzung zu gehen – die geeigneten Fläche für Eigentum und sozialen Wohnungsbau zu definieren und auf die handelnden Akteure zuzugehen. Aktivitäten wie das Städtebauentwicklungskonzept Heven-Ost oder das Handlungskonzept Innenstadt seien genau das Richtige.
>>> Gute Rahmenbedingungen für Witten als Wohnstadt:
Witten hat gute Rahmenbedingungen, wenn es ums Wohnen in den nächsten Jahren geht. Viel Grün, eine Innenstadt mit kurzen Wegen, die Nähe zu den Ballungsräumen, eine kleine, aber feine Uni, gute Nahversorgung und medizinische Angebote – diese Stärken gelte es zu unterstreichen und Witten als „Wohnstandort mit gewissem Charme zu positionieren“, sagte Michael Neitzel vom Büro „inwis“, das den Vorentwurf für das Handlungskonzept 2030 erarbeitet hat.
Bei seiner Präsentation stellte Neitzel die Bedeutung der „Silverager“ heraus, der Altersgruppe über 50 und 60, die immer größer wird. Sie stelle schon heute fast die Hälfte der Bevölkerung. Um so wichtiger seien alters- und zum Teil behindertengerechte Wohnungen. Es gelte, Betreutes Wohnen weiter auszubauen und Quartierskonzepte mit sozialen Trägern weiterzuentwickeln. Neitzel empfahl, „sehr bedarfsgerecht vorzugehen“. Gleichzeitig müsse Witten für alle Altersgruppen attraktiv bleiben.
Innenstadt kommt große Bedeutung zu
Eine große Bedeutung misst er der Innenstadt zu. Seit zehn, 15 Jahren gebe es den Trend, wieder dort hinzuziehen. „Die Menschen wollen grün wohnen, aber sich auch in der Nähe versorgen können.“ Der Bedarf nach größeren Wohnungen sei groß, sie fehlten in allen Preissegmenten. Auch kleine und günstige Wohnungen stünden hoch im Kurs. Eine geringere Nachfrage gebe es nach Wohnungen um die 65 m² in der mittleren Preisklasse.