Witten. Die Stadt hat gerade viele Fördermittel für Bauvorhaben zur Verfügung. Betriebe zu finden, die die Arbeiten ausführen, wird immer schwerer.
Die Auftragsbücher der Handwerksbetriebe laufen über. Das bekommt besonders die Stadt zu spüren. Noch nie seien so viele Ausschreibungen für Bauvorhaben ausgelaufen, ohne dass auch nur ein einziges Angebot eingegangen sei, heißt es vonseiten des Zentralen Vergabeamtes. „Das ist nicht mehr der normale Ablauf“, bestätigt auch Klaus Böde vom Gebäudemanagement. „Wir sind schon froh, wenn wir zwei oder drei Angebote bekommen.“
Zum Vergleich: Als vor rund 15 Jahren die Fenster der Otto-Schott-Realschule ausgetauscht werden mussten, boten 72 Handwerksbetriebe ihre Dienste an. Prominentes Beispiel für stockende Bauvorhaben ist die Sanierung des Südflügels des Rathauses. Seit Ende Februar suchte die Stadt mit einer europaweiten Ausschreibung nach einem Betrieb, der das Dach des Gebäudes decken sollte.
Schulen: Es fehlt an Klempnern
„Aber es hat sich einfach niemand gemeldet“, sagt Stadtsprecherin Lena Kücük. In der zweiten Ausschreibungsrunde gingen dann zwar zwei Angebote ein. Beide sind jedoch merklich teurer als die von der Stadt hierfür veranschlagten 358 000 Euro. „Aber jetzt stehen wir ganz kurz davor, den Auftrag zu vergeben“, so Kücük.
Aktuell will die Stadt aber auch die WC-Anlagen an mehreren Schulen sanieren. Das Problem: „Für den Abbruch und das Verlegen von Fliesen wären Handwerker verfügbar, aber es fehlt an Klempnern“, berichtet Böde.
Arbeiten am Ruhr-Gymnasium liegen auf Eis
Die Arbeiten an der Bruchschule und am Ruhr-Gymnasium liegen daher vorläufig auf Eis. Die Toilettensanierung an der Vormholzer Grundschule dagegen läuft. „Da haben wir ganz knapp noch einen Klempner gefunden“, sagt Böde. „Es herrscht zum Glück noch kein Stillstand.“
Man merke einfach, dass es auf dem Markt enger geworden sei, sagt Stadtsprecherin Kücük. Denn momentan fließen viele Fördermittel von Bund und Land etwa über das Programm „Gute Schule 2020“. „Aber da konkurrieren wir dann natürlich auch mit anderen Städten um die Unternehmen“, sagt die Stadtsprecherin.
Dachdecker: „Wir können uns die Aufträge aussuchen“
Hinzu kommt: Die Auftragsbücher der Handwerker sind generell prall gefüllt. „Unsere Auftragslage ist so bombig wie seit Jahren nicht“, sagt etwa der Wittener Dachdeckermeister Markus Dürscheidt. Die Folge: „Wir können uns die Aufträge aussuchen.“
Die Stadt als Auftraggeber sei für viele Betriebe bei der aktuellen Konjunktur schlicht nicht attraktiv genug, berichtet Udo Vaupel vom Vorstand der Kreishandwerkerschaft. Denn: „Es gibt einfach zu viele Regularien und Bürokratie, viele Handwerker scheuen diesen Aufwand.“
Mindestens drei bis vier Monate Wartezeit
Mindestens drei bis vier Monate sollten private Bauherren in Witten derzeit einplanen, wenn sie einen Handwerker jenseits eines Notfalls beauftragen wollen. „Aber es können auch mal sechs Monate oder länger werden“, sagt Dachdeckermeister Markus Dürscheidt.
Und das gelte nicht nur für seine Zunft, sondern ziehe sich durch alle Gewerke, berichtet der stellvertretende Vorsitzende der Kreishandwerkerschaft Ruhr. „Bei uns haben Bestandskunden absoluten Vorrang. Die Auftragslage ist wirklich sportlich“, sagt Dürscheidt. „Wir geben schon 120 Prozent, aber können nicht mal alle Anfragen bearbeiten.“
„Handwerker scheuen einfach den Bürokratismus“
Bei solch einer Auftragslage gerät die Stadt als Auftraggeber immer mehr ins Hintertreffen. „Handwerker scheuen einfach den Bürokratismus und den damit verbundenen Aufwand“, sagt Udo Vaupel von der Baugewerbe-Innung. „An einem Angebot für die Stadt sitze ich für Kalkulation und Vorbereitung schon mal einen ganzen Tag“, sagt Dachdecker Dürscheidt. „Bei einem privaten Auftraggeber bin ich damit in zwei bis drei Stunden durch.“
Zudem fürchteten Handwerksbetriebe bei öffentlichen Ausschreibungen immer mehr die billigeren Konkurrenten aus anderen Bundesländern oder dem Ausland, die dann den Zuschlag erhielten, berichtet Dürscheidt.
An viele Vergabebestimmungen gebunden
„Leider können wir nicht viel tun, um als Auftraggeber attraktiver zu werden“, sagt Stadtsprecherin Lena Kücük. „Wir sind an viele Vergabebestimmungen gebunden und müssen uns an Regularien halten, die es auf dem freien Markt eben nicht gibt“, sagt Klaus Böde vom Gebäudemanagement der Stadt. Er würde den Handwerksbetrieben mittlerweile regelrecht „hinterhertelefonieren“, um sie dazu zu bewegen, an einer Ausschreibung teilzunehmen. Im schlimmsten Fall drohen Fördergelder verloren zu gehen, weil sie nicht rechtzeitig abgerufen werden.
Und ein Ende der angespannten Lage ist nicht in Sicht, schließlich kämpft das Handwerk seit geraumer Zeit mit einem großen Nachwuchsproblem.