Witten. Günna vom Rockland-Studio hält nichts von bedeutungsvollen Zeichen. Statt auf Trends setzt er auf Klassiker. Und redet Kunden oft auch etwas aus.
Tattoos sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Statistisch hat bereits jeder Vierte eine Tätowierung, weitere 21 Prozent denken laut einer aktuellen Umfrage darüber nach. Viele von denen werden am Wochenende (9./10. Juni) in den Dortmunder Westfalenhallen bei der Tattoocon erwartet, einer Messe, bei der 400 Aussteller die neuesten Trends zeigen. Wir haben uns vorab bei Günna (41), Inhaber des Rockland-Studios in Annen, darüber unterhalten, was derzeit in ist.
Sie arbeiten gerade an einem Blütenmotiv. Ist das angesagt?
Günna: Also, es gibt gute Trends und schlechte. Die schlechten sind Federn, Vögel und Unendlichkeitszeichen – überhaupt diese ganzen bedeutungsschwangeren Zeichen.
Was ist daran schlecht?
Trends sind oft Schnellschüsse, werden später entsprechend oft bereut und müssen später wieder entfernt werden. Außerdem finde ich schade, wenn die Menschen mehr Wert auf die Bedeutung als aufs Design legen. Es sollte doch um schöne Bilder auf der Haut gehen, um etwas, das mich individuell von den anderen abhebt – und nicht um die x-te immer gleiche Feder.
Und was sind dann gute Trends?
Motive, die seit Jahrhunderten Bestand haben und immer wieder abgewandelt werden...
...Anker und Totenköpfe?
Nein, das meine ich nicht. Das sind Klassiker. Ich meine Motive der Urvölker, aus Polynesien etwa oder japanische Yakuza. Die sehen auch in 30 Jahren noch gut aus.
Wieso, was ist an denen anders?
Also ein Tattoo lebt ja in der Haut, die Linien gehen mit der Zeit auseinander, werden immer breiter...
Immer?
Da kann man nichts gegen machen. Dann sieht ein Bild nur noch gut aus, wenn es klare Formen, einfache Strukturen hat. Außerdem kommen diese Bilder nie aus der Mode.
Und was ist beispielsweise aus der Mode gekommen?
Das Arschgeweih. Das will keiner mehr. Schade eigentlich, denn es betonte schön den weiblichen Körper.
Aber wenn jetzt einer eine Feder haben will, machst Du die trotzdem?
Klar. Aber erst mal rede ich mit den Leuten. Nochmal und nochmal. Beratung ist mir ganz wichtig.
Gibt es auch was, das Du nicht machst?
Politik lass ich raus. Und wenn eine 18-Jährige kommt und will so einen Klopper am Hals, der sag ich auch: Lass es, Du versaust Dir Dein Leben.
Warum? Ich denke,Tattoos sind gesellschaftsfähig geworden?
Ja, aber den Job im Management bekommt sie mit so einem Tattoo trotzdem nicht. Und das ist richtig so. Es gibt Branchen, da hat ein Tattoo am Hals nichts zu suchen. Das will ich bei meinem Banker, der mir mein Haus finanziert, einfach nicht sehen.
Ich dachte, Du bist froh, dass die Tattoos endlich raus aus der Schmuddelecke sind?
Nein, gar nicht. Der Respekt davor ist weg. Früher war’s cool. Jetzt kommen hier sogar schon die Kids rein. Jeder will eins. Sogar meine Mama. Und mit der gestiegenen Nachfrage ist leider die Qualität drastisch gesunken.
Jeder will eins, wirklich jeder?
Ja – wirklich jedes Alter, jede Sparte, reich und arm. Nur Hautärzte kommen eher selten.
Hautärzte kommen eher selten
Das hat seinen Grund, oder?
Klar, wir penetrieren die Haut und bringen Fremdkörper ein. Gesund ist bestimmt anders. Aber ich kenne auch keinen, der an seinem Tattoo gestorben wäre.
Aber um das Risiko so klein wie möglich zu halten: Woran erkenne ich denn einen guten Tätowierer?
Der hat zunächst mal seine Bilder ausliegen. Der macht gerade und saubere Linien, der arbeitet hygienisch einwandfrei und bietet eine umfassende Beratung.
Zum Schluss: Hast Du schon mal ein Tattoo entfernen lassen?
Entfernen nicht, aber überstechen – ein Tribal auf dem Unterschenkel. Das war damals übrigens auch so ein Trend. . .
>>>DIE TATTOOCON LÄUFT AB 11UHR
Die Zahl der Tattoo-Studios in Witten ist mit der wachsenden Nachfrage gestiegen. Waren es vor wenigen Jahren noch drei, bieten inzwischen gut doppelt so viele ihre Dienste an.
Wer sich informieren (oder spontan stechen) lassen will: Die Tattoocon in Dortmund läuft am Samstag (9. Juni) von 11 bis 23 Uhr (22 €), Sonntag (10. Juni) von 11 bis 21 Uhr (20€)