. Otto Schluck geht in den Ruhestand und schließt seine Fleischerei an der Breite Straße für immer. Damit verliert Witten ein Traditionsgeschäft.

Eigentlich müsste man die Fleischerei Otto Schluck mitsamt ihrem urigen Metzgermeister unter Denkmalschutz stellen – deutsches Kulturgut, auf ewig zu bewahren! Das geht leider nicht: Zum 30. Juni schließt Schluck, der in vierter Generation an der Breite Straße Wurst machte, für immer. Seit 1881 stand der Betrieb für gute, hausgemachte Produkte. So verliert Witten ein weiteres Traditionsgeschäft.

Die Traditions-Metzgerei Otto Schluck an der Breite Straße.
Die Traditions-Metzgerei Otto Schluck an der Breite Straße. © Jürgen Theobald (theo)

Otto Schlucks Büro ist ein schmaler Raum mit Rechnungsblock und Matrize, Telefon, Fax und Taschenrechner. Einen Computer gibt es nicht, die Kunden rufen an. Herr Mark will wissen, ob es noch Eintöpfe gibt. „Einmal Möhren, zwei kleine Schnibbelbohnen, zwei Wirsing“, gibt Otto Schluck durch. Dann werden noch Witze gemacht, das Schnitzel, „können Sie sich bei 30 Grad zum Warmmachen hinter die Windschutzscheibe legen“.

Ach, das wird ihm fehlen, gibt Otto Schluck zu. Nicht die Büroarbeit, das Schreiben von Dokumentationen, die behördlichen Auflagen – das ärgert ihn. Lieber sieht er sich in der Wurstküche und an der Theke. Der persönliche Kontakt zu den vielen Stammkunden war sein Antrieb, bis zum 68. Lebensjahr zu arbeiten.

Rouladen in Soße

„Aber jetzt schaffe ich das gesundheitlich nicht mehr“, sagt der weißhaarige Mann. 85 Prozent seiner Produkte machen er und seine Mitarbeiter selber: Salate, Wurst, Fleisch, aber auch gekochte Gerichte wie Rouladen in Soße oder Frikadellen. Ein Teil seiner Leute wird mit ihm in Rente gehen. Andere – wie zwei Verkäuferinnen – haben sich beworben, wechseln wahrscheinlich zu Edeka und Boni.

Einen Nachfolger hat Otto Schluck vergeblich gesucht. Dabei hat er festgestellt, dass wieder mehr junge Leute Hausgemachtes bei ihm kaufen. Der Trend gehe weg von der Discounterware. Gute Zukunftsaussichten – aber wer will sich diese Arbeit antun?

Metzgermeister mit 22 Jahren

52 Jahre lang hat Schluck bis zu 80 Stunden in der Woche gearbeitet, sonntags im Büro gesessen. „In den letzten Jahren gab es keinen freien Tag, den wir zusammen hatten“, bedauert seine Lebensgefährtin und Verkäuferin Birgit Kauer (56). „Das wird ein schwerer Abschied, aber ich gönne ihm die Ruhe.“

Otto Schluck ist in seinen Beruf hineingewachsen. „Ich war schon als Kleinkind mit im Laden. Dann habe ich in den Schulferien in der Wurstküche ausgeholfen.“ Mit 22 Jahren hatte er den Meisterbrief in der Tasche. Der hängt im Laden, genauso wie eine Anzeige von 1900. „Prima Plockwurst. Prompte und reelle Bedienung“, verkündet die.

Stammkunden mit Tränen in den Augen

Bald wird nicht mehr täglich um 4.20 Uhr der Wecker gehen. Der passionierte Motorradfahrer Schluck will demnächst auf dem E-Bike die nähere Umgebung erkunden. „Die Freizeit blieb bislang auf der Strecke.“ Und er müsse in diesem Jahr noch viel regeln, etwa das Ladenlokal an der Breite Straße neu vermieten.

Viele Stammkunden haben schon jetzt Tränen in den Augen. „Wir werden offenbar keine Lücke hinterlassen, sondern einen Krater.“ An der Theke bevorratet sich gerade Gerhard Kubas – der 80-Jährige geht seit 60 Jahren zu Schluck. Nun lässt er sich pfundweise Hack verpacken, „das friert meine Frau zuhause ein. So wollen wir zumindest das nächste Jahr überbrücken“.

>> Nur noch wenige Wittener Fleischer

Es gibt nur noch wenige kleine inhabergeführte Metzgereien in Witten. Fleischwaren Kruse in Herbede zum Beispiel ist eine Filiale, ebenso die Wurstspezialitäten Paul Sommer oder das Wursthaus König.

So bleiben: die Fleischerei Schiemer in Bommern, Mirco Wohlfahrt, der die Fleischerei Kern im Hammertal weiterführt und Jörg Lassner in Annen. Metzgereiprodukte gibt es auch bei Thieles Hofladen in Bommern.