Witten. . Witten gedenkt mit einer Schweigeminute und bewegenden Worten der Türkinnen, die bei dem Brandanschlag vor 25 Jahren starben.

„Ich war fassungslos, sprachlos, wie gelähmt“, erinnert sich Mehmet Çolak an den Tag vor 25 Jahren, als er von dem Brandanschlag in Solingen erfahren hat. Es war ein Samstag und der Vorsitzende des Integrationsrates war damals noch Student. Für ihn sei es selbstverständlich, heute der Opfer zu gedenken. Und so ist Witten eine von 40 Städten in NRW, die an diesem Dienstagnachmittag ein Zeichen setzen wollen – eines gegen Rassismus vor allem.

Mehmet Çolak vom Integrationsrat.
Mehmet Çolak vom Integrationsrat. © Theobald

Dem drohenden Unwetter ist es geschuldet, dass die Veranstaltung vom Rathausplatz ins Gebäude verlegt wird. Die Feuerwehr hatte dazu geraten, so Bürgermeisterin Sonja Leidemann. Und so schweigen alle eine Minute lang vor dem Ratssaal in der ersten Etage. Und denken dabei an die Brandnacht von Solingen, in der Hatice, Gülüstan, Hülya, Saime und Gürsün starben – Töchter, Enkel und Nichte von Mevlüde Genç. Mehmet Çolak hat diese Frau einen Tag zuvor in Köln persönlich getroffen und ist beeindruckt von dieser „Mutter des Friedens“, die sich trotz ihres Leids für ein friedliches Miteinander einsetzt – so ist es in allen Medien zu lesen, zu hören. Auch Bürgermeisterin Sonja Leidemann haben die TV-Bilder bewegt, die eine Frau zeigten im Bemühen um Versöhnung.

Bürgermeisterin Sonja Leidemann bei ihrer Ansprache.
Bürgermeisterin Sonja Leidemann bei ihrer Ansprache. © Jürgen Theobald

„Mich bewegt das Geschehen bis heute“, sagt Lale Arslanbenzer. Das merkt man ihren Worten an. Die Leiterin der Kommunalen Integrationsstelle im EN-Kreis, die 1981 aus der ostanatolischen Provinz nach Deutschland kam, erzählt einfach ihre eigene Geschichte, um ihre Gefühle für dieses Land zu verdeutlichen. Zunächst habe sie sich immer und überall willkommen und sicher gefühlt. „Das änderte sich in den frühen 90er Jahren.“ Als es immer öfter hieß: „Ausländer raus.“ Als es Brandanschläge gab in Hoyerswerda, in Hünxe, Rostock, Mölln und schließlich Solingen.

„Wir haben alle Orte besucht, standen fassungslos vor jedem abgebrannten Haus und verspürten eine neue Dimension.“ Angst habe sich breitgemacht. Bei ihr, bei den Landsleuten aus der alten Heimat. „Seile waren zu der Zeit in Baumärkten ausverkauft. Sie wurden zu Strickleitern geknüpft und als Vorsichtsmaßnahme an Heizungsrohren befestigt, damit man jederzeit aus dem Fenster flüchten konnte“, sagt Lale Arslanbenzer.

Auch Schülerinnen und Schüler nahmen teil.
Auch Schülerinnen und Schüler nahmen teil. © Jürgen Theobald

Umso wichtiger sei es, dass viele Schulen sich gegen Rassismus einsetzen. 17 sind es im ganzen EN-Kreis. Heute sind Schüler des Ruhr-Gymnasiums sowie der Hardenstein- und Holzkamp-Gesamtschule ins Rathaus gekommen, um ihre Projekte vorzustellen – in einer Stadt, in der inzwischen 130 Nationen zusammenleben.

„Ich kann ausrasten, wenn sowas wie Rassismus aufkommt“, sagt Robin Tiemann (19). Der Schülersprecher der Holzkampschule hat selbst zwei Staatsbürgerschaften, ist Deutscher und Brite. „Rassismus ist keine Lösung.“ Wer ihm begegne, solle nie wegschauen. Benedict Malz (18), Schülersprecher des Ruhr-Gymnasiums, betont die besondere Verantwortung, die seine Schule am Standort Synagogenstraße habe. Und er spricht davon, dass seine Generation nur eine Aufgabe habe: „Erinnerung aufrechtzuerhalten.“