Witten. . Horden schlugen auf Einladung der Ruhrtalwölfe zum zweiten Mal ihr Lager auf. Sie erfreuten die Besucher mit Gastfreundschaft und vielen Aktionen.
„Weg da! Da darf er nicht stehen. Das ist der Heilige Teppich“, zischt einer der Fürsten. Hoppla, kann man ja nicht wissen, wenn man als Zivilist um eine Audienz bei König Ellak bittet. Doch Attilas Sohn lässt Gnade walten und bittet den „Schriftgelehrten“ in seine Jurte. Dort bewirtet ihn sein Weib mit einem kühlen Trank.
Zum zweiten Wittener Hunnenfest hatten die Ruhrtalwölfe am Wochenende auf ein Gelände neben Ostermann gebeten – und die wilden Horden waren gekommen: aus Köln, Bonn, Aachen, aus dem Westerwald. Etwa 40 Hunnen hatten ihre Zelte aufgeschlagen, martialisch geschminkt, gekleidet in detailgetreuen „Gewandungen“.
Andreas Bergstein ist König Ellak
Denn bloße Kostüme trugen die Hunnen früher, als sie sich nur in der Karnevalsgesellschaft Rot-Weiß Witten engagierten. Zu Hunnen wurden die Jecken, als sie ihre heutigen Brüder aus Aachen und Köln kennengelernt haben. „Wir sind eine tolle Gemeinschaft“, schwärmt König Ellak. Der Wittener heißt eigentlich Andreas Bergstein.
Es sind eigentlich ganz normale Leute, die im richtigen Leben ganz normale Zivilberufe ausüben und ein paar Mal im Jahr zu Hunnen werden. Ihre Gewandungen sind detailreich und liebevoll. Ihre Gastfreundschaft ist legendär. Der Eintritt beim Fest war frei, nur Schaschlik, Crêpes und Bier mussten bezahlt werden.
„Die waren gar nicht so übel wie ihr Ruf“
Mittelalter, Star Trek, Cowboy und Indianer – warum müssen es ausgerechnet die Hunnen sein? „Die waren gar nicht so übel wie ihr Ruf“, weiß Ellak alias Bergstein. „Sie hatten keine Schrift, es gibt keine eigenen Aufzeichnungen. Ihren schlechten Ruf verdanken sie den römischen Geschichtsschreibern.“ Jene, die sie heute verkörpern, mag man für liebenswürdige Spinner halten. Doch sie begehen ihr Fest mit Selbstironie, aber auch der nötigen Achtung vor den alten Ritualen. Sympathisch sind sie allemal. Und Angst muss man auch nicht vor ihnen haben.
Jasper und Jannis sowieso nicht. Die kleinen Söhne von Thorsten und Wiebke Schröder sind nur zu Besuch und können an König Ellaks Jurte erstmal in einen Korb voller Süßigkeiten greifen. „Gelebte Geschichte ist immer etwas Schönes“, sagt Thorsten. „Es ist ein Abtauchen in eine andere Zeit.“
Sklave, Nichtsnutz, Krieger, Fürst und König
Davon hat sich auch Andreas Bergsteins Tochter Nicole anstecken lassen. Die 33-Jährige näht vielen Stammesbrüdern und -schwestern die Kostüme, äh, Gewandungen. Vielleicht wird auch sie mal das Los, als „Nichtsnutz“ mitleben zu dürfen, abstreifen. Denn die Hierarchie ist klar: Sklave, Nichtsnutz, Krieger, Fürst, König. Für Ernak ist es heute soweit. Wolfgang Schonert wird später zum Krieger geweiht. „Vielleicht wird er vorher rohe Leber essen müssen“, scherzt Susi Bergstein.
Es war ein zünftiges Fest bei strahlendem Sonnenschein. Die Hunnen hatten den Besuchern einiges zu bieten: Bogenschießen, Feuershow, Dudelsackmusik, Greifvögel. Und vor allem eines: ihre Gastfreundschaft.