. Carmen Melcher arbeitet als Krankenschwester in Witten. Sie liebt ihren Beruf und sorgt sich doch: wegen Personalmangels wächst der Stress.

Egal, wann man in den Flur der Station 6a guckt, irgendwie huscht immer Carmen Melcher durchs Bild. Das Schritttempo der 41-Jährigen, die energisch von Zimmer zu Zimmer eilt, muss man erstmal mithalten. Das hält fit! Trotzdem sei ihr Beruf als „Gesundheits- und Krankenpflegerin“, wie man heutzutage die Krankenschwestern nennt, nichts „womit man alt werden kann“. Nach 24 Berufsjahren sagt sie: „Wenn die Arbeitsbedingungen so bleiben, kann man nicht bis zur Rente auf der Station arbeiten. Das ist körperlich zu anstrengend.“

Den Pflegekräftemangel bekommen Einrichtungen der Altenpflege, aber auch Krankenhäuser zu spüren. Der Nachwuchs fehlt. Als Carmen Melcher mit 16 Jahren sich für den Beruf der Krankenschwester entschied, war es nicht selbstverständlich, einen Platz in der Krankenpflegeschule des EvK Witten zu bekommen – so groß war das Interesse. Heute sieht das anders aus.

Mehr junge Männer werden Krankenpfleger

Zwar genießt die Schule einen guten Ruf und kann jedes Jahr alle Ausbildungsplätze belegen, aber die Zahl der Berufsabbrecher steige. „Einige studieren oder lassen sich weiter ausbilden zum Beispiel zum Physiotherapeuten“, sagt Jens-Martin Gorny, Sprecher des EvK. „Aber manche hören auch auf, weil sie sehen, wie stressig der Beruf ist“, argumentiert Carmen Melcher, die als Praxisanleiterin den Nachwuchs ausbildet. Was sich wohl geändert hätte: Seit vier, fünf Jahren lassen sich immer mehr junge Männer zum Krankenpfleger ausbilden.

Carmen Melchers Revier ist die „Innere“ am Ev. Krankenhaus, Station 6a. Angefangen hat sie mit einem Jahr in der Pflegevorschule des EvK, es folgten die Ausbildung, die Arbeit in der Onkologie und nun in der Inneren. Dort arbeitet sie, nachdem sie Mutter wurde, mit einer halben Stelle in Teilzeit – so wie viele Kolleginnen. Praktisch heißt das: Vor allem übernimmt sie die Schichten am Wochenende. Wenn sie werktags um 6 Uhr mit der Frühschicht anfängt, muss sich ihre Mutter um ihre Kinder kümmern, sie für Kita oder Schule fertig machen. „Ohne Oma ginge nichts.“

Auch nach 24 Dienstjahren ist die gebürtige Herdeckerin noch überzeugt, den richtigen Beruf für sich gewählt zu haben. „Es ist nicht nur das Helfen. Ich mag die Wärme, die man zurückbekommt, mal ein liebes nettes Wort. Manchmal singe ich mit den Patienten. Gerade die Älteren finden das schön.“ Dass man auch an Heiligabend oder Silvester arbeiten muss, habe sie nie gestört. Aber „so richtig zufrieden“ gehe sie selten nach Hause. „Ich werde den Patienten nicht so gerecht, wie ich es gern möchte.“

Mehr Personal würde helfen

„Man würde gern gehen, mit dem Gefühl, dass nichts liegen geblieben ist.“ Aber die Zeit reiche nicht mehr, weil das Schreiben der Pflegeberichte so aufwändig sei. In den letzten Jahren seien die gesetzlichen Vorgaben „wahnsinnig viel geworden“. So viel, dass jede Schicht der nächsten Arbeit hinterlässt. „Das ist nur lösbar mit mehr Personal.“

Aber woher nehmen? In der Stadtgalerie werben verschiedene Anbieter, auch die Krankenpflegeschule des EvK, für Berufe in der Pflege. „Sorgen um ihre berufliche Zukunft müssen sich die Absolventen nicht machen“, sagt Gorny.

Sorgen macht sich Carmen Melcher nicht um ihre berufliche Zukunft, sondern eher um ihre Bandscheibe. Zur Erklärung: Zwar gibt es inzwischen viel mehr Hilfen im Pflegealltag – wie hochpumpbare Betten –, aber im Gegensatz zu früher seien die Patienten im Haus tendenziell älter und kränker, bräuchten also mehr körperliche Unterstützung. Mit verschiedenen Angeboten wie Rückenkursen oder dem vermehrten Einsatz technischer Hilfsmittel versucht das EvK, älter werdende Pflegekräfte im Job zu halten. Jens-Martin Gorny: „Wenn man schon keine jungen Leute auf dem Markt mehr bekommt.“

>> Heute Aktionstag in der Stadtgalerie

Zum Internationalen Tag der Pflegenden findet eine Aktion am heutigen 12. Mai von 11 bis 15 Uhr in der Stadtgalerie statt. Das Ev. Krankenhaus, Seniorenheime und ambulante Dienste sowie der Ambulante Hospizdienst, das Netzwerk Demenz oder die Alzheimergesellschaft präsentieren ihre Angebote. Die Krankenpflegeschule am EvK stellt Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten vor.

Der Tag der Pflegenden wird jedes Jahr am 12. Mai begangen. Er erinnert an den Geburtstag der Britin Florence Nightingale (1820-1910), die Pionierin der modernen Krankenpflege.