Witten. . In dem Haus an der Hauptstraße können Menschen die letzte Phase ihres Lebens in Würde verbringen. Dafür sind viele Sponsoren nötig.
Etwa ein Jahr ist es her, dass das St. Elisabeth Hospiz seine Türen geöffnet hat, um Gäste in der letzten Phase ihres Lebens zu begleiten. Gestern wurde der Geburtstag im Haus an der Hauptstraße 83 gebührend gefeiert. „Es war aufregend und spannend. Alles ist ja zum ersten Mal passiert“, sagt Leiterin Heike Großheimann. Sie ist zufrieden mit ihrem Team und der Arbeit, die auch für sie neu war. Und muss sich doch vielen Herausforderungen stellen.
Zehn Plätze gibt es im Wittener Hospiz, das nach wie vor das einzige im EN-Kreis ist. 180 Menschen aus der Region haben dort im Schnitt jeweils elf Tage verbracht. Sie sind meist um die 70 Jahre alt, der jüngste Gast war 19, der älteste 96. Eine Premiere gab es vergangenen Freitag: „Da ist ein Gast wieder ausgezogen, weil es ihm so gut ging, dass er zu seiner Familie zurück konnte“, sagt die Hospizleiterin, die zuvor in großen Senioreneinrichtungen gearbeitet hat.
20 Hauptamtliche, darunter nur zwei Männer, sind für die Menschen da und 26 Ehrenamtliche engagieren sich regelmäßig. „Im Oktober bieten wir einen neuen Fortbildungskurs an, weil sich so viele gemeldet haben“, so Großheimann. Auch der Förderverein habe deutlich an Mitgliedern zugelegt. „Aber es sind immer noch nicht genug.“ 200 000 Euro pro Jahr muss das Hospiz selbst stemmen. Deshalb wird der Schwerpunkt in Zukunft noch mehr auf der Öffentlichkeitsarbeit liegen. Regelmäßige offene Veranstaltungen gibt es dort längst. Doch nun will die 55-Jährige versuchen, auch Firmen als Sponsoren mit ins Boot holen. Für das nächste Jahr plant sie die Aktion „Witten wandert für das St. Elisabeth Hospiz“.
„Es ist ein Trost, dass es diesen Ort gibt“
Im Gespräch vor einem Jahr hat sich Heike Großheimann gewünscht, dass Menschen im Umgang mit Sterben und Tod ihre Berührungsängste verlieren. Heute sagt sie: „Der Umgang damit ist noch längst nicht normal. Aber egal, wer hierhin kommt, alle sind positiv beeindruckt und empfinden es als Trost, dass es solch einen Ort in der Stadt gibt.“
Das Glück geht noch nicht ganz
Rechts vom Eingang steht „Elisabeth“ auf einem Tisch. Das kugelrunde Schwein aus Porzellan trägt zur Feier des Hospizgeburtstags eine bunte Schleife. Es hat ordentlich Hunger und sagt mittels Schildchen „Danke“ all jenen, die es mit Geld füttern. Denn jede Spende wird gebraucht. „Es ist eine Katastrophe, dass so ein Haus in unserer Gesellschaft nicht mit staatlichen Mitteln finanziert wird“, sagt Alexander. Der 50-jährige Wittener ist gerade hereingekommen. Zum ersten Mal sieht er ein Hospiz von innen. „Nett“, formuliert er seinen ersten Eindruck. Und: „Ich ziehe den Hut vor den Menschen, die hier arbeiten.“
Eine von ihnen ist Jessica Henes. Die Krankenschwester gehört seit knapp zwei Monaten zum Hospiz-Team. Vorher hat sie zwölf Jahre in einem Krankenhaus gearbeitet, über die Hälfte der Zeit auf der Intensivstation. „Dort sind natürlich auch viele Menschen gestorben“, sagt die 31-Jährige. Das „Wie“ habe ihr immer schwer im Magen gelegen, auch wenn sie wisse, dass dort „auf Sterbekultur keine Rücksicht genommen werden kann“. Weil sie die Menschen am Ende ihres Lebens in Würde begleiten wollte, hat sie sich fürs Hospiz entschieden.
„Als ich hier reingekommen bin, das war Liebe auf den ersten Blick“, sagt die Herdeckerin. Sich auch mal eine halbe Stunde Zeit nehmen zu können für ein Gespräch, die Gäste schön zu baden und viel Dankbarkeit zurückzubekommen – in ihrem alten Job ein Ding der Unmöglichkeit. „Jetzt gehe ich jeden Tag zufrieden nach Hause.“ Sie habe nicht wirklich das Gefühl, zu arbeiten. „Es ist mehr wie ein zweites Zuhause.“
„Es ist mehr wie ein zweites Zuhause“
Dass sie im Hospiz wie eine große Familie sind, das sagt auch Leiterin Heike Großheimann (55) später in ihrer Rede, in der sie auf das erste Jahr zurückblickt. „Wir bieten einen geschützten Raum, in dem Qualität möglich ist. Wir können eine ganze Menge leisten, was den Menschen guttut, damit sie nicht ständig den Tod vor Augen haben, sondern ihre letzten Tage genießen.“ Heike Großheimann weiß, dass das Luxus ist. Und hat es sich doch zu Beginn ihrer Arbeit genau so vorgestellt.
Heute lockt das Hospiz mit einem Flohmarkt, mit Musik der Gruppe „More than summertime“ und Akrobatik. Es gibt Führungen durchs Haus. Am Grill steht Stefan Kleine, Produktionsleiter der Küche des Marien-Hospitals, und hinterm Getränkestand sitzen Beatrix Montag (53) und Meta Schweig (77). Sie haben früher den Mittagstisch in Annen gemacht. Als er sich aufgelöst hat, war neues Engagement gefragt. „Ich hatte ja erst ein bisschen Bedenken, ins Hospiz zu gehen“, sagt Beatrix Montag. Die hat sie längst über Bord geworfen. Meta Schweig erzählt von ihrer Begegnung mit einem Gast. „Die Frau war hier ganz glücklich.“
„Es riecht nicht wie im Krankenhaus“
Auch wenn alle Besucher begeistert sind von der freundlichen Atmosphäre des Hauses, in dem es „nicht nach Krankenhaus riecht“, beschleicht manchen doch „ein komisches Gefühl“, wie es Frank Gellhaus (60) ausdrückt. Margarete Fornefeld (83) kriegt „ein bisschen Gänsehaut“. Sie sagt: „Wenn man älter ist, denkt man halt weiter.“ Die 15-jährige Katharina Berndt, die mit ihrer Oma gekommen ist, empfindet das anders. „Es ist hier kein bisschen bedrückend.“
>> INFORMATION
- Das St. Elisabeth Hospiz bietet auf 1200 Quadratmetern Platz für zehn Gästezimmer mit jeweils eigenem Angehörigenbereich.
- Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen bis zu 95 Prozent der Betriebskosten. Den Rest versucht der Förderverein aufzubringen. Kontakt: hospizverein-witten@web.de