Witten. . Die 3 a der Gerichtsschule hat vier ungewöhnliche Haustiere. Sie können so groß wie Kokosnüsse werden – und die Kinder wissen alles über sie.
Sie heißen Marinette, Lilly, Lulu und Eva. Sie sind überhaupt nicht kuschelig, eher ein bisschen schleimig, aber trotzdem die Lieblinge der 3 a der Gerichtsschule. Dort leben sie im Klassenzimmer in einem Terrarium und tun, was afrikanische Achatschnecken halt so machen: fressen, schlafen, sich vermehren. Alles unter den aufmerksamen Augen der 24 Kinder.
Die wissen die ungewöhnlichen Haustiere seit einem halben Jahr zu schätzen und sind längst Experten in allen Schneckenfragen, die die Reporterin so stellt. „Die fressen gerne Laub. Kohl dürfen sie nicht, sonst müssen sie pupsen und dann platzt das Gehäuse“, sagt Laura (9). „Das sind Weichtiere, die haben keine Knochen. Sie können nicht gut hören und sehen nur schwarz-weiß oder Schatten“, sagt Nils (9). Weitere Finger schnellen in die Höhe. Interessantes weiß Moses (8) zu berichten: „Die können ihr Geschlecht wechseln, das sind Zwitter. Und die größeren werden die Weibchen.“
„Die tragen zu einem guten Klassenklima bei“
Lehrerin Eva Lammerding guckt stolz in die Runde und hat inzwischen selbst jede Menge Spaß an den Tierchen. Denn: „Die tragen schon zu einem guten Klassenklima bei“, sagt die 33-Jährige. Alle Kinder mussten einen „Vertrag“ unterschreiben, dass sie respektvoll mit den Schnecken umgehen und sie nicht ärgern. Jede Woche übernimmt ein anderes Kind Verantwortung, also den Schneckendienst, und kümmert sich in der ersten großen Pause ums Wohl der Gäste: „Man muss gucken, ob sie genug zu fressen haben, Wasser auffüllen und Kacke wegmachen“, sagt Laura.
Über einen Mangel an Streicheleinheiten können sich die Schnecken jedenfalls nicht beklagen. Von wegen ekelig: „Anfangs gab’s schon Vorbehalte. Inzwischen nehmen alle sie in die Hand. Ich auch“, sagt Eva Lammerding. Dass es ausgerechnet afrikanische Achatschnecken waren, die ins Klassenzimmer Einzug hielten, hat sie Michael Kapmeyer (39) zu verdanken. Der Inhaber von „Naturtuche“ im Wiesenviertel ist auch Mitglied in der Facebook-Gruppe „Share and care“, was man mit „Teilen und Gutes tun“ übersetzen könnte. Darüber hatte eine Frau 120 Schneckeneier im vergangenen Sommer zu verschenken. Ehe die sonst wo landeten, nahm sich Kapmeyer ihrer an.
„Ich fand’s spannend, wie groß die Tiere werden können.“ Das Gehäuse erreiche Kokosnussgröße und ausgestreckt komme eine ausgewachsene Achatschnecke auf immerhin 30 Zentimeter. Jetzt gerade passen sie genau auf die Hände der Kinder. 120 Eier sind da schon eine sportliche Menge, befand auch Kapmeyer.
Die Hälfte schlüpfte, er zog sie auf bis sie etwa murmelgroß waren – und begann, sie an Freunde im Wiesenviertel zu verteilen. Irgendwann dachte er sich, dass Schnecken auch ideale Klassentiere wären: „Sie sind ruhig und kommen übers Wochenende problemlos alleine klar.“ Nun steht nicht nur ein Terrarium in der Gerichts-, sondern auch eins in der Hardenstein-Gesamtschule.
Und in den Ferien? Hütet Katana (9) die Schnecken zu Hause. Schrecklich gerne hätte sie selbst welche – so wie Finja (8). Man kann sich die Abschiedsszenen ausmalen, wenn sie die Schnecken am Ende der Grundschule an die Erstklässler abgeben müssen.
>> INFORMATIONEN
- Michael Kapmeyer gibt seine afrikanischen Achatschnecken (lat.: Achatinidae) gern in gute Hände ab. Auch der Wuppertaler Zoo besitzt einige Tiere des Witteners. Bald schlüpfen wieder welche.
- Wer Interesse hat, kann bei „Naturtuche“ an der Steinstraße 7 vorbeischauen, 1760768. Privatpersonen bittet Kapmeyer um eine kleine Spende fürs Tierheim. Schulen bekommen die Schnecken geschenkt.
- Die Schnecken der Gerichtsschule sind für das Terrarium, in dem sie jetzt leben, bald zu groß. Wer ein größeres zu verschenken hat, kann sich gerne in der Schule melden.