Witten. . Zwölftklässler von Ruhr und Schiller verkleiden sich in der Mottowoche als „Nutten und Zuhälter“. Martmöller-Gymnasium macht nicht mit.

Netzstrumpfhosen, knallrote Lippen und kurze Röcke – auf dem Rathausplatz herrscht Rotlicht-stimmung. Die Abiturienten von Schiller- und Ruhr-Gymnasium feiern vor ihren Klausuren die Halbzeit der Mottowoche. Offiziell lautet das Thema am Mittwoch (21.3.) „Casino“. Aber dahinter steckt mehr.

„Jeder weiß, dass wir uns als Nutten und Zuhälter verkleiden“, sagt Dana ganz offen. Bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt steht die 18-Jährige in schwarzen Netzstrümpfen barfuß auf dem Asphalt. Die unbequemen hohen Schuhe trägt sie nicht mehr an den Füßen, sondern in der Hand. Ist das nicht saukalt? „Nee, uns ist warm. Wir sind nur müde.“

Auch die „Zeitreise“ ist ein beliebtes Thema bei den Mottowochen. Am Albert-Martmöller-Gymnasium wagten die Abiturienten gestern einen Schritt in die Vergangenheit oder Zukunft.
Auch die „Zeitreise“ ist ein beliebtes Thema bei den Mottowochen. Am Albert-Martmöller-Gymnasium wagten die Abiturienten gestern einen Schritt in die Vergangenheit oder Zukunft. © Barbara Zabka

Der Tag beginnt früh für die Abiturienten. Morgens treffen sich die Schüler beider Gymnasien auf dem Kaufland-Parkplatz. Gemeinsam wird das erste Bierchen gezischt. „Wir sind zwar zwei Schulen, aber eigentlich ein großer Jahrgang“, sagt Susan. Mottowoche, Partys und Aktionen planen die Schüler von Schiller und Ruhr zusammen.

In den Pausen mischen die Zwölftklässler die Schulen auf. Am „Zuhälter- und Nutten“-Mittwoch ist das Schiller-Gymnasium allerdings tabu. „Die haben ihren Fortbildungstag genau in unsere Mottowoche gelegt. So ein Zufall“, sagt eine Schiller-Schülerin und rollt mit den Augen. „Tja, dann muss das Ruhr halt dran glauben.“

Sexualkunde in der Pause

In der Pause erteilen die Zwölft-klässler den Schülern aus Jahrgang fünf eine Lektion in Sachen Sexualkunde. Ein paar Abiturienten verteilen Kondome. Passant Ewald Deitsch steht vor dem Casa Cuba am Rathausplatz und schaut auf die leicht bekleideten Jugendlichen. „Verrückte Verkleidungen sind ja okay. Aber sich als Prostituierte zurechtzumachen, finde ich doch etwas geschmacklos.“

Von ein paar schrägen Blicken abgesehen, bekommen die Jugendlichen keinen Ärger. Viele Leute in der Stadt haben sogar Verständnis. „Ach, die haben so lange gebüffelt. Jetzt dürfen sie auch mal ein bisschen über die Stränge schlagen“, sagt eine Frau.

© Svenja Hanusch

Benni (19) hat das Rollenbild ein bisschen umgedreht. Er ist nicht wie seine Kollegen mit Sonnenbrille und angeklebtem Schnurrbart unterwegs. Stattdessen trägt er Plüschpantoffeln, eine pinke Perücke und einen schwarzen Bademantel. „Als Nutte ist man viel freier, was die Bekleidung betrifft.“ Trotz des freizügigen Mottos geht es bei den Abiturienten und ihren Feierlichkeiten bisher recht sittsam zu, obwohl sie gerade heute viel Haut zeigen.

„Lehrer wissen, dass wir nicht zu viel Unsinn machen“

„Im Vergleich zu den früheren Jahrgängen sind wir absolut gemäßigt“, sagt Benni. „Unsere Lehrer kennen uns auch schon seit Jahren und wissen, dass wir nicht zu viel Schabernack treiben.“ Allerdings geht der bewusst gewählte Bezug zum Milieu einigen auch gegen den Strich. Jedenfalls sind am Martmöller-Gymnasium weder „Nutten“ noch „Zuhälter“ unterwegs, obwohl der dortige Abi-Jahrgang das Motto ebenfalls vorgeschlagen hatte. Zeitgleich waren bei der Schulleitung Bitten eingetrudelt, das Motto zu verhindern – sowohl von Eltern als auch Schülern. Vize-Leiterin Rut Fröhlings: „Die Schüler haben das auch sofort eingesehen. Da gab es keine Diskussion.“

Die anderen feiern trotzdem unter dem freizügigen Motto. Nach einem Vormittag in Netzstrumpfhosen müssen sich Dana und Susan aber doch erstmal aufwärmen. „Wir gehen Pommes essen und morgen geht die Party weiter.“ Für Donnerstag haben sich die Abiturienten etwas Besonderes ausgedacht: Ab 7.15 Uhr wollen sie die Parkplätze vor der Schule besetzen. Dann aber ohne Miniröcke.