Witten. . Kann man dafür die Bahnflächenentwicklungsgesellschaft belangen? Das will die Stadt prüfen. Ratsherren stellen auch Gutachtermethoden infrage.

Unter der künftigen Gewerbefläche Drei Könige legen die beiden beauftragten Fachbüros für Archäologie seit vier Wochen Schicht um Schicht die Reste der Steinhauser und der Bessemer Hütte (beide etwa 1854/55 – 1920) frei. Im Rathaus fragten Politiker jetzt erstmals nach der Verantwortung und den Folgekosten für den laut Stadtverwaltung völlig unerwarteten Fund.

Gerald Klawe, Leiter der Stabsstelle Umwelt, gab dem Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz einen Bericht zum Stand der Ausgrabungen. Ein „großer Teil“ der Steinhauser Hütte sei offenbar noch vorhanden. Die 15 Mitarbeiter der Fachbüros hätten Zuluftkanäle für Öfen und teilweise auch zweigeschossige Gewölbe freigelegt.

Es gibt nur eine „Notdokumentation“

Kellergeschosse seien in den Bauakten aus dem 19. Jahrhundert überhaupt nicht verzeichnet gewesen, sagte Denkmalschützer Florian Schrader. Die Funde würden als wissenschaftlich bedeutsam eingestuft. Sie belegten, dass Witten in der Eisen- und Stahlverarbeitung von der frühen Zeit der Industrialisierung bis heute eine wichtige Position einnehme. Trotzdem sei aber klar, dass man sich auf eine „Notdokumentation“ beschränken werde, um die Aufbereitung zum Gewerbegebiet nicht unnötig zu verzögern.

CDU-Ratsherr Arnulf Rybicki fragte nach der genauen Höhe der Mehrkosten. Der Verkauf der Fläche Drei Könige von der Bahnflächenentwicklungsgellschaft (BEG) an die Stadt sei doch erst kurz vor dem Bekanntwerden der Funde erfolgt. „Ist das kein Anlass, noch einmal in den Kaufvertrag zu gucken, ober der Verkauf von der BEG unter den richtigen Vorzeichen stattgefunden hat?“

Bei Mehrkosten „Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht“

Die Mehrkosten für die Ausgrabung und Dokumentation der Funde, aber auch die dadurch viel aufwändigeren Erdarbeiten auf Drei Könige gab Gerald Klawe mit insgesamt „bisher knapp 700 000 Euro“ an. „Aber das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange. Selbstverständlich wird der Kaufvertrag überprüft, ob wir den Verkäufer noch heranziehen können.“ Baurat Stefan Rommelfanger verwies zudem auf eine mögliche Förderfähigkeit dieser Mehrkosten. Darüber werde die Stadt in Kürze mit dem Land NRW sprechen – „und die BEG ist ja auch eine Landestochter“.

Arnulf Rybicki und der sachkundige Bürger Holger Jüngst (SPD) fragten außerdem nach der Belastbarkeit der Gutachten und der gewählten Methoden. Gerald Klawe erläuterte, dass die Altastenuntersuchung, das Baugrundgutachten, die Fundamentrecherche und die historische Recherche alle unabhängig voneinander zu dem Ergebis gekommen waren, dass dort keine Gewölbe oder aufstehenden Mauern mehr zu anzutreffen wären. Auch die schweren Stöße der Rammkernsonden seien durch durch unterirdische Mauerwerk offensichtlich „wie die Messer durch die Butter“ gegangen. Klawe räumte aber auch ein, dass, als die Gutachten sich zu einem einheitlichen Bild fügten, „wir mit einer gewissen Gutgläubigkeit an die Sache herangeganen sind“. Die Funde hätten alle sehr überrascht. „Egal man wie des dreht oder wendet, das ist dumm gelaufen“.

>> Auf die Dokumentation folgt der Abriss

Auch Experten der EU und der Unesco habe den Ausgrabungsstätte schon besucht. Der Stadt liegt eine schriftliche Stellungnahme des LWL-Amtes für Archäologie vor, dass die Reste der beiden Eisenhüttenwerke nicht erhalten werden müssen. Die Funde im Boden nennt die Stadt „statisch äußerst labil“.

Zu einem anderen Ergebnis im Vorfeld hätten laut Gerald Klawe wohl nur ein Durchschürfen des Geländes mit dem Bagger geführt. Dieser hätte aber bis zu zehn Meter tiefe Gräben ziehen müssen. Deshalb habe man diese Methode verworfen.