Witten. . Die Arbeiten am Wittener Hauptbahnhof liegen in den letzten Zügen. Nur eine Ladenzeile wartet noch auf Mieter. Ein Rundgang mit dem Besitzer.

Der Wittener Hauptbahnhof ist nicht mehr nur ein Ort, den Menschen auf dem Weg zum Zug eilig durchqueren. Es gibt viel zu sehen in der Eingangshalle: die Lok Friedrich, die unübersehbar mittendrin thront, und acht großformatige Schwarz-Weiß-Bilder hoch oben an den Wänden. Viele recken den Kopf, gerade macht jemand ein Handy-Foto. Es geht voran in dem alten Gemäuer. „Zu Beginn des Sommers planen wir die offizielle Eröffnung“, sagt Markus Bürger, der mit Radomir Zezevic den aufwändigen Umbau stemmt.

Markus Bürger
Markus Bürger

Täglich ist Bürger vor Ort, um nach dem Rechten zu sehen. Und um zu beobachten, wie die Fahrgäste auf die bereits erfolgten Verschönerungen reagieren. „Viele verweilen tatsächlich einen Moment“, sagt der 44-Jährige. Besonders gefreut hat er sich über diesen Ausspruch einer alten Dame: „Jetzt kommt man gerne hier an.“

Doch noch gibt’s ein paar Baustellen im Bahnhof. Geschlossen ist an diesem Tag die linke Eingangstür, denn dahinter werkelt ein Arbeiter auf einem Gerüst. Die Wand wird von innen verkleidet und dann bis zum Fenster gefliest. Damit Fußabdrücke leichter zu beseitigen sind. Einer prangt an einer nur verputzten Stelle.

Besitzer wünscht sich mehr Achtung vor dem Gebäude

„Es ist eine Unart der Leute, sich da mit dem Fuß abzustemmen.“ Überhaupt ärgert Bürger so manches Verhalten. Wenn jemand Kaugummi einfach auf den Boden spuckt. „Das würden die in der Stadtgalerie nie machen.“ Ganz zu schweigen von den Graffitischmierereien. „Ein Kampf gegen Windmühlen.“ Mehr Achtung gegenüber dem historischen Gebäude, das würde er sich wünschen. Und noch den einen oder anderen Mieter.

Der Hauptbahnhof
Der Hauptbahnhof

Wer den Bahnhof betritt, der sieht sofort, dass die ganze rechte, mit Glas versehene Front noch brachliegt. Drinnen sind die Handwerker zugange. Wo früher die Radstation war, die nun auf der linken Seite Richtung Busbahnhof ihren Platz hat, steht noch eine Gesamtfläche von 300 Quadratmetern leer. Man könnte sie auch in drei Bereiche aufteilen. Mittendrin: ein kleiner Lichthof, der noch schöner werden soll.

Es habe durchaus Interessenten gegeben: einen Apotheker, einen Bio-Supermarkt. Aber, sagt Markus Bürger, „die Menschen können sich wohl nicht vorstellen, wie das fertig aussieht“. Obwohl doch die Optik des Cafés Büsch und der Buchhandlung (wo es übrigens Tickets zu kaufen gibt) für sich sprächen. „Die haben auch guten Umsatzzuwachs.“

Derzeit die größte Baustelle am Hauptbahnhof: die für Läden geplante Fläche gegenüber von Café und Buchhandlung.
Derzeit die größte Baustelle am Hauptbahnhof: die für Läden geplante Fläche gegenüber von Café und Buchhandlung.

Das Innenleben des Cafés hat es Bürger angetan. „Es ist schön, wenn wir Partner finden, die beim Thema Bahnhof mitziehen.“ Damit meint er einige Details der Inneneinrichtung: Alte Abteilbänke, die neu bezogen wurden, dienen als Sitzgelegenheit. In hohen Regalen lagern alte Koffer – als Deko. „Solche Räume würden Sie auch locker in Köln oder London finden“, schwärmt Bürger. So richtig geht ihm das Herz auf, als er die mit Intarsien versehene Holztür ganz hinten öffnet: Wo sich einst ein gammeliger Raum befand, entstand ein mit viel Liebe eingerichtetes Konferenzzimmer. Mit altem, aufbereitetem Holzboden („eine Schweinearbeit“ – und ein Kostentreiber), Kuschelfell über der Bank und nettem Schnickschnack.

Richtung Bahnsteige fällt links ein grauer Rollladen ins Auge. Dort soll in knapp einem Monat der „Pommes-Bahnhof“ eröffnen. Ein Wittener wird hier ganz bodenständig Fritten und Currywurst (und nicht viel mehr) an die Kunden bringen. „Das passt ins Ruhrgebiet.“

Ein Arbeiter verkleidet die Innenwand.
Ein Arbeiter verkleidet die Innenwand.

Eine Frau irrt gerade mit ihrem Rollköfferchen durch die Halle. Sie will ihre Fahrkarte abstempeln, ist schon fast auf dem Bahnsteig und muss dann wieder zum Ausgang zurück. Denn noch steht der Automat draußen vor der Tür. Die 54-jährige Wittenerin vermisst entsprechende Hinweise. Doch das soll sich ja alles in nächster Zeit noch ändern. Dann wird auch der provisorisch mit Klebeband an der Wand befestigte gelbe Abfahrtplan Schnee von gestern sein. Und durch ein interaktives Fahrgastdisplay ersetzt. Einen Wunsch hat auch Markus Bürger noch: Dass irgendwann mal ein ICE an seinem Bahnhof hält.

Von Herausforderungen und Rückschlägen

Das Gebäude des Wittener Bahnhofs stammt aus dem Jahre 1848. Und bevor Markus Bürger und Radomir Zecevic, die in der Villa Lohmann die Event-Firma „Time-Trax“ betreiben, investierten, war der Zustand dort katastrophal. Das nahmen die beiden als Herausforderung, den Umbau in Angriff zu nehmen. 2011 gingen sie an den Start.

Seitdem mussten sie einige Rückschläge einstecken, vor allem, was potenzielle Mieter betraf. „Da lagen Verträge schon zur Unterzeichnung vor und dann haben die einen Rückzieher gemacht“, sagt Markus Bürger. „Das ist bitter.“ Dennoch hat er jetzt bis auf die Fläche in der Haupthalle, wo er sich gut einen Drogeriemarkt vorstellen könnte, alles unter Dach und Fach. Das Banner, das am Anbau um Mieter wirbt, könne weg. Dort haben neben der Verbraucherberatung eine Werbeagentur und ein Kosmetikvertrieb ihren Platz.

Koasten für Umbau liegen im siebenstelligen Bereich

Woran also liegt’s, dass noch Flächen frei sind? Zu hohe Mieten? Bürger lacht und schüttelt den Kopf. Er sieht nur Vorteile: „Zusammen mit dem Busbahnhof haben wir hier einen Kundendurchlauf von 19 000 Menschen in 24 Stunden. Und wir unterliegen nicht dem Ladenöffnungszeitengesetz.“ Deshalb sei er zuversichtlich, dass sich bald jemand finde.

Die Kosten für den Umbau, dessen Ende bald absehbar ist, seien im Rahmen geblieben, heißt: im deutlich siebenstelligen Bereich. Mehr sagt er dazu nicht. Dafür bedankt sich Bürger bei Stadt und Denkmalamt für die Unterstützung. Und beim Stadtarchiv für die Auswahl der acht historischen Bilder, die in der Halle hängen. Und er freut sich, sein Planungsziel erreicht zu haben: „Wir wollten nur früher fertig sein, als der Berliner Flughafen.“ Die Chancen stehen ziemlich gut.

>> INFORMATIONEN

  • Der Wittener Hauptbahnhof wurde von der Bergisch-Märkischen Eisenbahn-Gesellschaft am 9. März 1849 eröffnet.
  • Das heutige Empfangsgebäude entstand im Jahre 1901 nach den Entwürfen des Wittener Architekten Richard Sauerbruch.
    Es steht unter Denkmalschutz und ist Teil der Route der Industriekultur. Vier Bahnlinien halten in Witten.