Witten. . In Witten störte ein gezielter Cyberangriff auf die Diakonie Mark-Ruhr den Einsatz häuslicher Pflegekräfte. Firmen schützen sich oft schlecht.

„Cyberkriminalität ist für unser Polizeipräsidium ein Riesenthema“, sagt Marco Bischoff, Sprecher der für Witten zuständigen Behörde in Bochum. Das fange beim Ebay-Betrug an, gehe über Abofallen und Mobbing, bis zur Attacke gegen Firmen. Wittener Unternehmen seien viel häufiger betroffen als öffentlich bekannt wird. Denn die wenigsten investieren in neue Virenschutzprogramme – aus Kostengründen.

Wie sehr ein Hackerangriff schaden kann, zeigt der Fall der Diakonie Mark-Ruhr. Am Montag teilte der ev. Wohlfahrtsverband mit, dass die Server des Unternehmens Ende letzter Woche quasi lahm gelegt wurden. Alle 18 Diakoniestationen und 14 Pflegeheime des Unternehmens waren betroffen. Ein Beispiel: Die Mitarbeiter in der häuslichen Pflege bekommen ihren Einsatzplan aufs Dienst-Smartphone geschickt – was nicht erfolgte. Darum wurden Pflegekunden, auch in Witten, erst mit Verspätung aufgesucht. Auch Beratungsstellen konnten nur eingeschränkt arbeiten. In Witten betreibt die Diakonie die Schuldnerberatung, Sucht- und Drogenhilfe, Wohnungslosenhilfe und Quabed.

„Neue Form von Cyberkriminalität“

Es soll sich um eine „neue Form von Cyberkriminalität“ handeln, zu der „auch auf Bundesebene kaum Erfahrungswerte vorliegen“, zitiert Unternehmenssprecher Fabian Tigges das Landeskriminalamt und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.

Die Sperre der Großrechner konnte erst in der Nacht zu Freitag durch Fachleute der eigenen IT-Tochtergesellschaft aufgehoben werden. Ob darüber hinaus eine Art Lösegeld an die Hacker gezahlt wurde, mochte der Unternehmenssprecher mit Verweis auf laufende polizeiliche Ermittlungen nicht sagen. Er versichert, dass Dritte zu keiner Zeit Einblick in Patientendaten nehmen konnten.

„Neue Form der Cyberkriminalität“ – das zweifelt Polizeisprecher Marco Bischoff an. Mit einer eigenen Einheit reagiert die NRW-Polizei seit 2011 auf Cybercrime und die Methoden der Verbrecher seien bekannt. Doch das Gros der Unternehmen sei eben schnell angreifbar. „Denn Software-Aktualisierungen kosten Geld. Man braucht die Manpower, und es ist schwierig, gute IT-Experten zu bekommen, die den Überblick behalten.“

Verseuchte E-Mails sind Alltag

Den gezielten Angriff gegen die Diakonie Mark-Ruhr kann man nicht vergleichen mit der Attacke auf Krankenhäuser, von der im Februar 2016 auch das EvK und das Marien-Hospital betroffen waren. Damals wurde „Ransomware“, also eine Erpressungssoftware, automatisch per E-Mail an Mitarbeiter verschickt – ohne Auswirkungen. „Viren in Dateianhängen sind Tagesgeschäft“, so der IT-Leiter des EvK, Thomas Borgmann.

>> INFO: 90 Prozent aller Unternehmen schlecht geschützt

Laut Karsten Zimmer, bekannter IT-Forensiker aus Menden, nehmen die Cyberangriffe in Deutschland zu. Den Schaden, den Hacker anrichten, schätzt er auf bis zu 80 Milliarden Euro jährlich. „Tendenz steigend.“ Im Darknet fänden sich Spezialisten und gründeten Netzwerke, die man als kriminelle Unternehmen sehen könne. „Alles, was wir digitalisieren, wird angreifbar.“

  • 90 Prozent der Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen in Westfalen seien ihnen mit ihren veralteten Virenschutzprogrammen ausgeliefert.