Witten. . Ein Burnout warf Leo aus der Bahn. In einer Tagesklinik lernte er Mia kennen. Auch sie suchte dort Hilfe. Seit 14 Jahren sind beide ein Paar.
Vor mir sitzt ein glückliches Paar. Das haben gerade beide, nennen wir sie Mia und Leo, wie aus einem Munde bestätigt. Ohne zu zögern kam das „Ja“ auf die Frage. „Wir können jeden Tag 24 Stunden zusammen sein“, sagt sie. Er nickt: „Ohne sie kann ich meine Zeit nicht genießen.“ Mia und Leo sind seit 14 Jahren ein Paar und haben im September 2014 geheiratet. Kennengelernt haben sich die beiden in einer Tagesklinik, wo sie sich wegen ihrer psychischen Beeinträchtigungen behandeln ließen.
Die 39-jährige Mia litt an Depressionen. „Ich hatte eine schwere Kindheit“, sagt sie zur Erklärung. Trotzdem hat sie eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau begonnen und auch abgeschlossen, weil sie sehr pflichtbewusst und zielstrebig ist. Doch während dieser Zeit wurde sie außerdem gemobbt. „Meine Chefin hat mir das Leben schwer gemacht.“ Mia bekam Angstattacken. Nichts ging mehr.
„Ohne sie wäre mein Leben anders verlaufen“
Bei Leo (45) war es ein Burnout, der den examinierten Altenpfleger aus der Bahn geworfen hat. „Ich habe zu viel gearbeitet“, sagt er. „Und plötzlich wurde es für mich von jetzt auf gleich unmöglich, meine Wohnung zu verlassen.“ Jeder Gang nach draußen, jeder Einkauf wurde zur Belastungsprobe. „Ich bekam Schweißausbrüche.“ Er versuchte zunächst, sich selbst zu therapieren und wieder in den Beruf einzusteigen. Ohne Erfolg. Schließlich holte er sich, genau wie Mia, Hilfe. Dass beide in dieselbe Tagesklinik kamen, es war vermutlich Schicksal.
„Sie hat mich gerettet“, sagt Leo über seine heutige Frau. „Mein Leben wäre anders verlaufen, wenn ich sie nicht kennengelernt hätte.“ Doch Liebe auf den ersten Blick war es bei ihnen nicht. „Ich mochte ihn erst gar nicht, fand ihn irgendwie arrogant“, erinnert sich Mia. Doch dann entdeckte sie hinter seiner Fassade den Menschen, mit dem sie sich ein gemeinsames Leben vorstellen konnte: „Er bringt mich zum Lachen, auch wenn mir nicht danach zumute ist. Er steht ohne Wenn und Aber hinter mir und stärkt mir den Rücken.“
Aus praktischen Gründen zogen sie zusammen
Aus zunächst ganz praktischen Gründen zogen sie nach wenigen Monaten zusammen. Eigentlich nur, weil beide ohnehin vorhatten, umzuziehen, und nicht allein leben wollten. Eine Art WG sollte es anfangs sein. Doch Leo wurde schnell ein Teil von Mias Familie.
2006 haben sie sich verlobt. Es war ein romantischer Abend in Hamburg, als Mia seinen Antrag erwartete. Doch Leo zog es vor, sie beim Frühstück zwischen Marmeladenbrötchen und Rührei zu fragen. Mia lacht. „So ist er halt.“ Genau diese Akzeptanz und das uneingeschränkte Vertrauen zum anderen sind die Basis ihrer Partnerschaft. „Wir würden uns niemals verstellen“, sagt Mia. Absolute Ehrlichkeit ist oberstes Gebot. „Auch wenn das manchmal nicht so schön ist“, sagt Leo. Beide hatten auch vorher Beziehungen. „Das war immer ganz anders“, sagen sie übereinstimmend. Und sind sicher: Mit anderen Partnern hätte es nicht geklappt. Die psychische Krankheit hat das Paar zusammengeschweißt.
Zusammen in der Werkstatt für behinderte Menschen
Heute arbeiten beide im Dienstleistungsbereich der Lebenshilfe-Werkstatt für behinderte Menschen. Denn ein Job im ersten Arbeitsmarkt sei problematisch: Bei zu viel Druck mache der Körper schnell schlapp. Gemeinsam auf der Arbeit – für Mia und Leo kein Problem. „Das können wir gut trennen. Da ist er nur mein Arbeitskollege“, sagt Mia. Und: „Wir würden uns hier nie an die Hand oder in den Arm nehmen.“
Nur heute, bei diesem Gespräch mit mir, das wir in einem nüchternen Besprechungsraum der Werkstatt führen, kommt ausnahmsweise ganz Persönliches auf den Tisch. Offen. Direkt. Und wunderbar. Mia und Leo verteilen Komplimente. Sie sagt: „Er ist mein Seelenverwandter.“ Er: „Ich liebe meine Frau über alles und bin froh, sie zu haben.“
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Etwa 125 Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen arbeiten im Dienstleistungsbereich der Wittener Lebenshilfe-Werkstatt. „Etwa 90 Prozent von ihnen leben allein“, sagt Fachbereichsleiter Marco Schüttler. Nur zwei verheiratete Paare gibt es. „Den meisten fehlt die Sozialkompetenz.“ Oft würden sie versuchen, „draußen“ Kontakte zu knüpfen. Doch, so Schüttler, psychische Störungen seien ein Tabu und die Reaktionen der Betroffenen für viele Menschen ohne Handicap einfach schwer zu verstehen. „Untereinander passen wiederum die Diagnosen oft nicht zusammen.“
Rund 300 Menschen mit geistiger Behinderung arbeiten in der Hauptwerkstatt. 60 Klienten betreut Stephan Jakobs in ambulanten Wohnungen. „Bei uns gibt es viele Pärchenbindungen, die kurz aufleben, aber auch schnell beendet werden.“ Grundsätzlich seien Menschen mit geistiger Behinderung unkompliziert bei der Partnerwahl. „Sie gehen aufeinander zu und sagen: Ich find’ dich toll“, so Jakobs. Wenn in Liebesdingen der Schuh drückt, dann übernehmen pädagogische Kräfte oft die „Paarberatung