Witten. . Immer mehr Wittener verzichten für einige Wochen auf soziale Medien, wie Facebook oder Twitter. Fastengruppen sind dagegen aus der Mode gekommen.

Jannis Limhoff hat den Stecker gezogen. Der Wittener fastet auf soziale Medien. Facebook, die Studenten-App Jodel, Instagram und sogar der Fernseher sind tabu. Damit ist der 27-Jährige nicht allein. Besonders junge Wittener nutzen die 40 Tage zwischen Aschermittwoch und Ostern, um nicht ständig abgelenkt und erreichbar zu sein.

„Smartphone-Fasten“ liegt absolut im Trend. Aber: „Die Dauerbrenner sind immer noch der Verzicht auf Rauchen, Alkohol und Fernsehen“, so Hinrich Schorling, Pfarrer der Evangelisch-Lutherischen Kreuzgemeinde. Gefastet wird in allen Religionen. „Es soll uns befreien von allen Dingen, die uns oder unseren Körper beschäftigen“, so Schorling. Das helfe, sich auf die Begegnung mit Gott vorzubereiten. Auch Jesus hat 40 Tage lang in der Wüste gefastet. Aber auch nicht-religiöse Wittener üben den Verzicht. „Man lernt, sich selbst neu in den Blick zu nehmen“, so der Geistliche.

„Es hilft. Ich sitze am Schreibtisch.“

Jannis Limhoff fastet in diesem Jahr aus einem ganz praktischen Grund: Er schreibt derzeit seine Bachelorarbeit zum Thema erneuerbare Energien. Um sich nicht abzulenken, hat er sich von allen sozialen Medien abgemeldet und sogar die Kabel aus dem Fernseher gezogen. „Das musste sein. Ich greife sonst ganz automatisch zum Handy oder zur Fernbedienung.“ Fazit: „Es hilft. Ich sitze am Schreibtisch.“

Mia Schulte hat sich für die klassische Variante entschieden. Die 17-Jährige verzichtet auf Fleisch, Fisch und Süßigkeiten – aus religiösen Gründen. „Der Glaube hilft mir auch, das Fasten durchzuziehen.“

Leberwurstbrot in der Dose

Allzu schwer fand es die Elftklässlerin bisher nicht. Das letzte Jahr sei schlimmer gewesen. Da habe sie erstmals auf Fleisch verzichtet. „Meine Eltern haben das damals nicht so ernst genommen“, erinnert sie sich. „Ich hab in der Pause die Brotdose aufgemacht und es lag Leberwurstbrot drin.“ In diesem Jahr lässt ihre Mutter ebenfalls Fleisch und Süßigkeiten weg. Mutter und Tochter ziehen an einem Strang.

Carina Kuznik ist Jugendreferentin in der Annener Ev. Kirchengemeinde. In ihrer Jugendgruppe wird ebenfalls gefastet – auch auf das Smartphone. Carina Kuznik macht mit – kein Facebook, Snapchat, Twitter oder Instagram. „Ich habe jetzt schon total daran zu knabbern“, gibt die 27-Jährige zu. Normalerweise geht ihr erster Gang morgens zur Kaffeemaschine. Schon bei der ersten Tasse Kaffee schaut sie sich an, was es auf Facebook Neues gibt.

„Es ist komisch, nicht mehr alles gleichzeitig zu machen“, so Kuznik. „Und plötzlich hat man jeden Morgen fünf Minuten mehr Zeit übrig.“ Auf den Nachrichtenaustausch über Whatsapp verzichtet Kuznik aber bewusst nicht. „Wir tauschen uns in unserer Whatsapp-Gruppe über unsere Fastenerfahrungen aus.“

Kaum noch Passionsandachten

Neben dem Internet-Verzicht beobachtet Pfarrer Hinrich Schorling noch einen andere Entwicklung. Vor 15 bis 20 Jahren gab es in fast jeder Gemeinde Passionsandachten oder Fastengruppen. „Die Menschen haben sich ausgetauscht und gemeinsam der Leiden Jesu gedacht“, so Schorling. Das sei heute wegen der regelrechten Terminflut kaum mehr möglich. Die Lösung: „Vielleicht mal auf Termine fasten“, schlägt Schorling mit einem Augenzwinkern vor.