Witten. . Gerd Riese beschreibt in seinem Buch „Mein Weg“ elf Biografien mit Handicap. Der Autor hat selbst ein Sprech-Problem. Eigentlich.

Das muss man sich erst mal trauen: als Stotterer auf Lesereise zu gehen. „Auf der Bühne übernehme ich eine professionelle Rolle“, sagt Gerd Riese (67). „Da passiert das nicht.“ Am Mittwoch (7.2.) ist er mit seinem neuen Buch zu Gast bei Lehmkul. „Mein Weg“ heißt das Werk und darin führt Riese biografische Gespräche mit stotternden Menschen.

Elf Lebenswege lernt der Leser kennen. Frauen und Männer zwischen 18 und 82 kommen zu Wort, darunter eine Dolmetscherin, ein Sänger, eine Kunsttherapeutin, ein Geschäftsmann, ein Arbeiter. Alle stammen aus NRW. Alle hat Gerd Riese zum Frühstück besucht. Ein kleines Aufnahmegerät ersparte ihm die Zettelwirtschaft, „ich wollte mich ganz auf das Gespräch einlassen“. Dabei, sagt er, sei es ziemlich ans Eingemachte gegangen. „Es wurde oft sehr emotional.“

Für Gerald ist das Leben ein Feldweg

Denn der Autor, der in Kettwig aufwuchs und heute in Vormholz lebt, interessierte sich nicht nur für das Handicap. Er wollte wissen, was es aus dem Leben der Betroffenen gemacht hat. „Ich habe Menschen gesucht, die die sozialen Probleme, die das Stottern mit sich bringen kann, überwunden haben.“ Für die das Leben keine Sackgasse ist, sondern eher ein Feldweg. „Er führt geradeaus. Aber hier gibt es mehr Steine und Schlaglöcher. Bei Regen Riesenpfützen. Dann muss man eben außen herum. Aber trotzdem geht es geradeaus“, sagt beispielsweise Gerald (59). Positive Beispiele beschreibt Gerd Riese. Wie er selbst auch eines ist.

Denn wer es nicht weiß, dem wird nicht unbedingt auffallen, dass er Stotterer ist. Nur ganz selten kommt ihm ein Wort etwas zögerlich über die Lippen. „Wer gelernt hat, dieses Handicap zu akzeptieren, der stottert weniger“, sagt Riese. Doch immer noch gebe es Situationen, „da geht plötzlich nichts mehr, da kommt es aus dem Hinterhalt“. Stottern, so habe es eine der Porträtierten ausgedrückt, sei eben unlogisch.

Fotos zeigen Waldpfad, Uferweg oder einen Stau

Beteiligt am Buch war auch Rieses Frau, Ilona Richter. Die 62-Jährige hat (Lebens-)Wege fotografiert. Oder passende Schwarz-Weiß-Bilder aus ihrem Fundus ausgewählt. Etwa jenes, das zufällig entstand, als sie auf der A3 im Stau stand. Das Cover zieren Pflastersteine aus Lissabon. Ilona Richter zeigt einen Waldpfad im Ruhrgebiet, eine Uferstraße an der Mosel, einen Fußgängerüberweg in Prag.

Gerd Riese ist seit vielen Jahren Mitglied der Bundesvereinigung Stottern und Selbsthilfe. Sie sei ein Segen für ihn und andere Betroffene – wie er längst einer für sie ist. Denn der Wittener hat einen Namen in der Szene, wird oft von Selbsthilfegruppen eingeladen. Diesmal liest er in einer Buchhandlung. Und auch Menschen, die nicht stottern, sind willkommen. Denn kaum ein Lebensweg verläuft nur auf der Überholspur.

>> INFORMATION

  • Die Lesung mit Autor Gerd Riese findet am Mittwoch, 7. Februar, um 20 Uhr in der Buchhandlung Lehmkul am Markt statt. Es musizieren Franziska Urton and Friend. Der Eintritt ist frei. Spenden sind erwünscht.
  • Das Buch „Mein Weg. Biografische Gespräche mit stotternden Menschen“ kostet 15 €.