Witten. . Nils Sieper (19) zog es nach dem Abi nicht direkt zur Uni. Er macht ein Freiwilliges Soziales Jahr im Stadtarchiv. Kein staubtrockener Job.

2017 hat er sein Abi an der Holzkamp-Gesamtschule gemacht. Während es Mitschüler sofort zur Uni zog, wollte Nils Sieper erst einmal in Ruhe darüber nachdenken, womit er künftig sein Geld verdienen möchte. Er entschied sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) – und ging hierzu ins Stadtarchiv. Ein staubtrockener Job? „Ganz im Gegenteil“, betont der 19-Jährige.

Seit September hat er im Archiv die Gelegenheit, in Wittens Stadtgeschichte einzutauchen. Was den Annener fasziniert, zumal er den Archivmitarbeitern nicht nur über die Schulter blicken, sondern sich auch nützlich machen kann.

„Mit ihren Geschichten werden die Akten lebendig“

Nils Sieper ist behilflich, wenn Menschen aus privaten, beruflichen oder wissenschaftlichen Gründen Archivmaterial einsehen möchten. „Wenn die Menschen zu uns kommen, erzählen sie etwas zu dem, was sie bei uns finden. Mit ihren Geschichten werden die Akten lebendig“, sagt er. Und kommt auf die Ausstellung zu sprechen, die am 10. September, dem Tag des offenen Denkmals, im Rathausturm zu sehen war.

Zusammen mit Archivleiterin Dr. Martina Kliner-Fruck suchte der 19-Jährige Fotos aus, die beim Wittener Rathausneubau in den 20er Jahren geschossen wurden und zum Bestand des Stadtarchivs gehören.

Historische Fotos für den Hauptbahnhof

Dass Archivarbeit höchst spannend ist, wusste Nils Sieper allerdings schon früher. An der Holzkamp-Gesamtschule hat er sich im vergangenen Jahr am Stolperstein-Projekt beteiligt, konnte hierfür auch Mitschüler gewinnen. Die jungen Leute besuchten mehrere Male das Stadtarchiv, um mehr über frühere Wittener zu erfahren, die während der NS-Zeit verfolgt, deportiert, ermordet wurden.

Ein weiteres Projekt, an dem er jetzt als FSJler mitwirkt: Markus Bürger, Besitzer des Wittener Bahnhofsgebäudes, möchte die Wände seiner Bahnhofshalle mit historischen Fotos schmücken. Martina Kliner-Fruck: „Es geht um die Themen Bahnhof, Eisenbahn, Kohle und Stahl. Da machen auch die Eisenbahnfreunde Witten mit.“ Das Stadtarchiv wird Motive beisteuern, die im Februar in der Halle zu sehen sein werden – darunter eine Ansicht des Hauptbahnhofs von 1950. An der Auswahl der Bilder ist Nils Sieper beteiligt.

„Ich werde alle Frauen und Männer kennenlernen“

Als der Hevener Gerhard Koetter auf der Zeche Nachtigall im November die Neuauflage seines Buches über den Bergbau im Muttental vorstellte, („Als Kohle noch Zukunft war“) war der 19-Jährige vor Ort für die Technik zuständig. Und erfuhr auf diese Weise noch ganz viel über die Bergbaugeschichte und Geologie des Muttentals.

Für den 25. Februar plant das Rote Kreuz eine Veranstaltung im Haus Witten, bei der der 19-Jährige sich auch einbringen kann. Kliner-Fruck: „Dort werden für einen Tag Gegenstände zu sehen sein, die Migranten bei sich hatten und die ihnen wichtig waren, als sie nach Witten kamen.“ Objekte, über die 15 Menschen aus unterschiedlichen Kulturen vorgestellt werden sollen. Worauf sich Sieper sehr freut: „Ich werde alle Frauen und Männer persönlich kennenlernen.“

Den Wittener Campus fest im Blick

Bis September wird er im Stadtarchiv sein Freiwilliges Soziales Jahr machen. Und dann? „Ich würde gerne Philosophie und Kulturreflexion an der Uni Witten/Herdecke studieren.“ Da Nils Sieper im Wullen wohnt, hat er den Campus bereits fest im Blick.

>>> INFO: DAS FREIWILLIGE SOZIALE JAHR UND DER BFD

Das Freiwillige Soziale Jahr, kurz FSJ, ist ein sozialer Freiwilligendienst in Deutschland und Österreich für Jugendliche und junge Erwachsene, die die Vollzeitschulpflicht erfüllt und noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet haben.

  • Neben dem FSJ gibt es auf Bundesebene den Bundesfreiwilligendienst (BFD). Er wurde als Ersatz für den ausgelaufenen Zivildienst geschaffen und ist auch älteren Menschen zugänglich.