Witten. . Dass ihr in diesem Jahr schwerkranker Vater mit ihr Heiligabend feiern kann, ist für Superintendentin Julia Holtz das größte Geschenk.
Rund zwei Jahrzehnte war Julia Holtz Pfarrerin der Johannis-Kirchengemeinde in Witten. Seit Januar ist die gebürtige Wilhelmshavenerin Superintendentin des Ev. Kirchenkreises Hattingen-Witten. Ein Gespräch mit der 55-Jährigen über Heiligabend und Weihnachten, Weihnachtschristen und das private Fest im Hause Holtz.
Was war Ihr schönstes Geschenk in diesem Jahr?
Holtz:Holtz: Dass mein 82-jähriger Vater noch da ist. Mitte des Jahres hätte ich nicht geglaubt, dass er Heiligabend erleben wird. Er war schwerstkrank, hat zwei Wochen auf der Intensivstation gelegen. Zweimal habe ich im Sommer sämtliche Termine abgesagt und bin zu ihm nach Wilhelmshaven gefahren, wo er lebt. Derzeit ist er bei uns und wird mit uns zusammen am Sonntag feiern. Das ist mein größtes Geschenk und grenzt für mich fast an ein Wunder. Auch meine Schwiegermutter wird Heiligabend bei uns sein und ein befreundeter Afrikaner.
Sie sind verheiratet mit Pfarrer Christian Holtz, der Altenheim-Seelsorger in Witten ist. Außerdem sind Sie Mutter eines 16-jährigen Sohnes, Leander. Haben Sie am Heiligen Abend frei?
Heiligabend bin ich erst einmal in Hattingen-Holthausen im Gemeindezentrum der St.-Georgs-Kirchengemeinde. Ab 15.30 Uhr gibt es dort einen Gottesdienst mit Krippenspiel, in dem ich aber keine lange Predigt halten kann. (lacht) Denn es kommen viele Kinder, die unruhig sind und Eltern, die oft noch unruhiger als ihre Kinder sind. Am 1. Weihnachtstag gestalte ich ab 10 Uhr den Gottesdienst in der St.-Georgs-Kirche in der Hattinger Altstadt.
Wird Ihr Mann Heiligabend auch arbeiten?
Ja. Er hat zwei Gottesdienste in den beiden Altenheimen der Boecker-Stiftung. Er wird gegen 17 Uhr fertig sein. Dann können wir ganz entspannt – als Teilnehmer – den Gottesdienst ab 18 Uhr in der Johanniskirche mitfeiern. Pfarrerin Mareike Gintzel wird die Predigt halten.
Julia Holtz ist seit Januar Superintendentin und hat im Amt die Vielfalt ihres Kirchenkreises entdeckt, so die 55-Jährige. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services Welche Botschaft hat die Kirche zu Weihnachten? Die Botschaft zu Weihnachten lautet: Gott hat Interesse an uns Menschen. Er schickt uns ein verletzliches Kind, um uns nahe zu sein. Die Weihnachtsbotschaft gilt unabhängig von der Weihnachtsidylle: Du Mensch bist Gottes Kind, egal wie alt du bist. Eine lebendige Gottesbeziehung macht das Leben schöner und erfüllter.
Die Kirchen sind Heiligabend deutschlandweit so voll wie sonst nie im Jahr. Haben Pfarrer da nicht manchmal den Eindruck, ihre Gottesdienste dienen dazu, das Fest „rund“ zu machen? Stichwort: Weihnachtschristen.
Ich freue mich über jeden, der in die Kirche kommt! Ich betrachte es als eine Chance. Glauben hat viel mit Beziehung zu tun. Entstehen solche Beziehungen, sind Menschen vielleicht auch ansprechbar für andere Angebote der Kirche. Mir ist aber klar, dass sie nicht alle am Heiligen Abend da sind, um ihren Glauben zu erneuern. Mit der Heiligabendpredigt kann man aus Menschen keine bekennenden Christen machen, die jeden Sonntag in die Kirche gehen. Aber es ist ja auch nicht so, dass Menschen, die sonntags nicht die Kirche besuchen, keine Christen sind. Es gibt Leute, die ihren Glauben anders leben. Nehmen Sie zum Beispiel das Worship Café – ein Angebot der Creativen Kirche in Witten einmal im Monat. Dorthin kommen Menschen auch, um ihren Glauben zu leben.
Wie feiern Sie privat mit Ihrer Familie Heiligabend?
Mit Tannenbaum, Essen und einer Bescherung. Der Baum wird relativ bunt und wird auch mit alten Sachen geschmückt sein, die wir noch aus unseren Familien haben. Zu viel Glitzer und Kitsch, auch Lametta mag ich aber nicht. Wir haben echte und elektrische Kerzen im Baum. Heiligabend gibt’s Kartoffelsalat mit Würstchen und eine schöne Platte mit Käse sowie ein bisschen Räucherfisch. Das große Essen ist am 1. Weihnachtstag mit der klassischen Pute. Ich lege viel Wert darauf, dass sie glücklich war. Es ist eine Bio-Pute. Wir essen wenig Fleisch, aber wenn, dann geben wir dafür auch Geld aus. In meiner Kindheit gab es Heiligabend mittags immer Graupensuppe mit Gänseklein. Das fand ich gruselig. (lacht)
Julia Holtz zeigt Werner Sasserath eine Jesusfigur aus Olivenholz. Sasserath verkaufte im Advent ehrenamtlich Olivenholz-Produkte in der Wittener Johanniskirche, die Handwerker in der Nähe von Bethlehem fertigten. Foto: Jürgen Theobald / FUNKE Foto Services
Wird Heiligabend bei Ihnen zuhause auch gesungen?
Ein bisschen. Meine Schwiegermutter singt im Chor. Dann hören wir uns auf jeden Fall das Weihnachtsoratorium von Bach an.
Wie halten Sie es mit Weihnachtsgeschenken?
Das hat sich bei uns sehr reduziert. Mein Mann hat immer viel mehr Geschenkideen. Männer zu beschenken, finde ich schrecklich schwierig. Wenn mein Mann etwas haben möchte, kauft er sich das auch immer selbst. Unser 16-jähriger Sohn hat auch sehr genaue Vorstellungen, was er wofür braucht.
Sie sind jetzt seit einem Jahr Superintendentin. Was hat sich für Sie geändert?
Das war eine große Umstellung. Ich habe die Vielfalt des Kirchenkreises entdeckt, hatte viele Begegnungen. Als Gemeindepfarrerin hat man ja mehr das Eigene im Blick. Das Jahr hat viel Freude gemacht. Was ich auch entdeckt habe ist, dass der Kirchenkreis Träger von fünf offenen Ganztagsschulen in Witten und von drei in Hattingen ist. Außerdem machen wir die Übermittagsbetreuung von drei weiterführenden Schulen in Witten. Eine tolle Arbeit unter schwierigen Bedingungen. Das ist ein von der Politik unterfinanzierter Bereich. Ich hoffe, dass sich da 2018 etwas ändert. Eine OGS bietet auch Kindern Chancen, die sonst in dieser Zeit vielleicht vor dem Fernsehen sitzen würden.
>>> JULIA HOLTZ IST ALS ERSTE FRAU OBERSTE THEOLOGIN
Julia Holtz war 21 Jahre Pfarrerin der Ev.-Luth. Johannis-Kirchengemeinde. Seit Januar 2017 ist sie Superintendentin des Ev. Kirchenkreises Hattingen-Witten.
Mit Holtz ist erstmals eine Frau oberste Theologin im Kirchenkreis, zu dem 16 evangelische Gemeinden in Witten, Wetter, Hattingen und Sprockhövel gehören.
Die 55-Jährige ist Vorgesetzte und Seelsorgerin für alle, die im Kirchenkreis ein Amt haben. Zum Kirchenkreis gehören rund 66 000 Christen.