witten. . Kreative wie Beate Albrecht oder Alexander Brede vermitteln ausgegrenzten Jugendlichen Selbstwert. Freie Szene ist ohne Fördergelder chancenlos.

  • Kreative wie Beate Albrecht oder Alexander Brede wollen ausgegrenzten Jugendlichen Selbstwert vermitteln
  • Doch die Freie Szene ist ohne Fördergelder chancenlos
  • Allein das Kulturforum hat in diesem Jahr 50 000 Euro zu solchen Projekten zugebuttert

Die Schauspielerin Beate Albrecht aus Annen erreicht Jugendliche zwischen acht und zehn Jahren. Ihre beiden Projekte „Freiheit leben“ und „Einsatz für deine Kultur“ wurden vom Kulturforum mit jeweils 1250 Euro gefördert. Mit dem Geld hat sie unter anderem ein Straßenfest in Annen organisiert, bei dem Jugendliche selber Musik machen und eigene Gedichte vortragen konnten. Albrecht wohnt selbst in Annen und nennt den Stadtteil einen Brennpunkt.

Sie meint damit Jugendliche, die sich abgehängt fühlen, aus armen Familien kommen und Ausgrenzungserfahrungen gemacht haben. „Das Geld vom Kulturforum der Stadt ist ein Tropfen auf den heißen Stein“, meint sie. Ohne weitere Fördergelder vom Land wäre es gar nicht möglich gewesen, die viele Arbeit zu stemmen und ihre Leute, die in die Szene gehen, zu bezahlen. Das Projekt war jedenfalls aus Sicht der Veranstalterin ein Erfolg.

Jugendliche, die niemals in den Saalbau gehen oder sogar nie davon gehört haben, haben sich auseinandergesetzt mit ihren eigenen Gedanken. „Im Kopf und im Herzen würde etwas fehlen, wenn sie das nicht gemacht hätten“, meint Beate Albrecht. Die Jugendlichen aus allen Milieus, auch aus Flüchtlingsfamilien, haben ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten ausgetestet. Und sie sind mächtig stolz auf sich. Die Dokumentation des Projekts auf der Facebook-Seite hat 6000 Klicks bekommen. Beate Albrecht benennt den Erfolg ihrer Arbeit: „Man lernt sich in friedlicher Auseinandersetzung kennen und das führt zu Identifizierung mit der Stadt. Dadurch werden die Jugendlichen achtsamer gegenüber Menschen, Gebäuden und Sachen.“ Die Arbeit des „Theaterspiels“ von Beate Albrecht macht das Leben in Annen also sicherer, lebenswerter und bunter.

Alexander Brede schätzt die kreative Atmosphäre im Wiesenviertel. Sein Festival hat schon 20 000 Euro gekostet – ohne Fördergelder nicht zu stemmen.
Alexander Brede schätzt die kreative Atmosphäre im Wiesenviertel. Sein Festival hat schon 20 000 Euro gekostet – ohne Fördergelder nicht zu stemmen. © Jürgen Theobald (theo)

Alexander Brede vom Arbeitscafé Raum im Wiesenviertel hat Fördergelder für sein Projekt „acting in concert“ bekommen, was auf Deutsch soviel heißt wie gemeinsam handeln. Er möchte vor allem Jugendliche erreichen, die sich weiblich fühlen, egal ob Frau oder Mann, und sie in ihrem Anliegen unterstützen, ihren Platz in der Gesellschaft zu behaupten. „In der Entwicklung des Workshops reagierten wir darauf, dass der Frauenanteil in der experimentellen und Neuen Musik erschreckend gering ist,“ so Brede. Dabei kann man Kunst und auch Musik nicht mit einem Geldwert berechnen. „Mir ist es dabei wichtig, Anschlüsse für möglichst viele zu schaffen ohne dabei auf der anderen Seite die aktuellen Probleme wieder und wieder zu wiederholen, sondern die Gegenwart umzuarbeiten.“

Mit dem im Juni erfolgreichen Festival geht es am 3. November zum dreijährigen Bestehen des Arbeitscafés Raum weiter. Das Festival allein hat schon 20 000 Euro gekostet. Ohne Fördergelder ist das nicht zu stemmen, denn das Raum-Café erwirtschaftet für ihn nur etwa 800 Euro brutto im Monat. Alexander Brede fände es schade, wenn er sich einen Zweitjob suchen müsste und dann keine Zeit mehr für Kulturprojekte hätte. „Kultur ist ein Raum, an dem die Leute andere und neue Erfahrungen machen und darüber nachdenken. Das nehmen sie mit in ihren Alltag. Und das halte ich für enorm wichtig.“

„Ohne Kultur würde etwas fehlen in den Köpfen und Herzen“, sagt Beate Albrecht und ergänzt: „Wer mit Kultur in Kontakt kommt, fühlt sich nicht abgehängt. Und in einer gesunden Gesellschaft können wir alle besser schlafen.“

Kulturforum fördert 20 Projekte der Freien Szene

Das Kulturforum der Stadt Witten hat in diesem Jahr etwa 50 000 Euro für die Förderung von etwa 20 freien Projekten vergeben. Darunter auch Lesungen des Autorentreffs in Seniorenheimen und das Konzert des Wittener Bach Chors „Ein feste Burg ist unser Gott.“

Ratsmiglied Harald Kahl hat mit seinem „Kultur Ruf“ auf die schlechte Finanzlage der Kultur in Witten hingewiesen. Wer die Finanzierung der Kultur unterstützen will, findet die Unterschriftenliste zum Ausdrucken auf der Seite des Kulturbeirats: www.kulturbeirat-witten.de