Witten. . Beim „Tauschrausch“ bietet jeder an, was er zu viel hat oder was er gut kann. Bei dieser Art der Nachbarschaftshilfe spielt Geld keine Rolle.
- Der „Tauschrausch“ ist ein Flohmarkt, bei dem jeder anbietet, was er zu viel hat oder was er gut kann
- Bei dieser Art der Nachbarschaftshilfe spielt Geld keine Rolle. Die Währung sind „Talente“
- Ein Handwerker bietet Pflasterarbeiten an – und will sich dafür die Füße pflegen lassen
Im „Tauschrausch“ waren die Besucher der Tausch- und Aktivitätenbörse am Sonntagmorgen im Haus der Jugend an der Nordstraße. Es kamen „alte Hasen“, die schon seit langem dabei sind, aber auch „Newcomer“, die einfach mal schnuppern und sich informieren wollten.
Bereitwillig stand Monika Ruthe vom Leitungsteam Rede und Antwort. „Wir sind kein Verein, sondern verstehen uns als Initiative. Quasi eine besondere Art der Nachbarschaftshilfe“, erklärt das Gründungsmitglied. „Beim Tauschen spielt Geld keine Rolle. Unsere Währung sind die Talente.“
Lebenszeit gegen Lebenszeit
Das sind übrigens Zeiteinheiten. So entspricht eine Stunde dem Wert von 20 Talenten. „Bei uns wird Lebenszeit gegen Lebenszeit getauscht“, erklärt Claudia Heiermann, die seit zwölf Jahren dabei ist. „Jeder bietet Leistungen an, die er wirklich gut beherrscht. Wir arbeiten nicht mit der Stoppuhr und haben auch keine Liste, was wie viele Talente wert ist.“ Tauschen sei schließlich auch eine Sache des Vertrauens.
Dem kann Jörg (73) nur zustimmen. Seit mehr als zehn Jahren bietet er handwerkliche Hilfen an - Rasenmähen, Transporte, Maurerarbeiten. „Jeder gibt das, was er gut kann und nimmt das , was er nicht kann.“ Jörg ist „Stammkunde“ bei Jolanda. Das frische Obst und Gemüse aus ihrem Garten „bezahlt“ er mit seinen Handwerkstalenten.
Die Gemüsefrau hat aus der Not eine Tugend gemacht. „Wir haben so viele Früchte im Garten. Die kann man alleine gar nicht wegfuttern oder verarbeiten“, lacht Jolanda. „Für meine Talente lasse ich mir dann Wollsocken für den Winter stricken. Die Wolle besorge ich allerdings selbst.“
Biete Pflastern, suche Fußpflege
Claus Badtke (69) ist mit seiner Frau aus Bochum angereist. Sie finden, dass die Wittener Tauschbörse sehr gut aufgestellt ist. Er pflastert den Weg und lässt sich dafür die Füße pflegen. Seine Frau gibt schöne Dinge ab, die „andere vielleicht gebrauchen können“. Sie nimmt dafür Nachhilfe in Sachen Smartphone.
Bernard (53) und Sigrun (52) Lange sind gerade erst eingetreten. „Eine Freundin hat uns von der Tauschbörse erzählt. Wir haben uns informiert und jetzt sind wir hier“, schmunzelt sie. „Wir wollen Hilfe anbieten und uns auch gerne helfen lassen. Schließlich ist nicht jeder auf jedem Gebiet ein Experte. Und das alte Sprichwort - eine Hand wäscht die andere stimmt auch heute noch.“
Hilfe rund ums Haus gegen Selbstgebackenes
Die Rentnerin Christine Gurgone (73) ist sehr froh, dass es die Tauschbörse gibt. „Ich habe Haus und Garten, bin ohne Ehemann, ohne Gärtner und ohne Putzfrau“, erzählt sie. „Und in der Tauschbörse finde ich schnelle und unbürokratische Hilfe.“ Im Gegenzug hat sie gerade einen Pflaumenkuchen gebacken, fährt mit ihrem Auto zur Deponie oder übernimmt Kurieraufträge.
Inge Bause (66) stellt feine Marmeladen und Liköre zum Tauschen her. „Kleine Mitbringsel oder zum Eigenverzehr. Dafür brauche ich Hilfe im Garten. Das ist doch ein schöner Tausch“, lacht sie. Ganz begeistert ist auch Jörg (58). „Hier steht nicht nur das Geben und Nehmen im Mittelpunkt“, schwärmt er. „Sondern man lernt interessante Menschen kennen, kriegt viele Tipps und nette Gespräche - gratis und ganz ohne Talente.“