WitTen. . Der Vormholzer Martin Steinigeweg züchtet Harzer Rotes Höhenvieh. Ein Ingenieur mit einem seltenen Hobby und seltenen Tieren.

  • Das Harzer Rote Höhenvieh ist eine alte und bedrohte Rinderrasse
  • Martin Steinigeweg, früher bei den Dortmunder Stadtwerken beschäftigt, züchtet die Tiere
  • Das qualitativ hochwertige Fleisch verkauft er nur an Bekannte

Vormholz. Ländliche Idylle, viele Wiesen, viele Weiden. Eine beschauliche Gegend, in der sich Menschen und Tiere wohlfühlen. Sauwohl sogar. Die Rinder von Martin Steinigeweg grasen auf einer grünen Weide. Wenn der 60-Jährige ihre Namen ruft, verfallen sie gemeinsam in einen leichten Trab und eilen herbei. Ein seltenes Schauspiel. Denn es handelt sich um Harzer Höhenvieh – eine rote und alte Rinderrasse, die zu den bedrohten Nutztierrassen zählt.

Martin Steinigeweg züchtet die Tiere und erhält dafür eine finanzielle Förderung des Landes NRW und der EU, die die Erhaltung alter Haus- und Nutztierrassen unterstützen. Vor 20 Jahren gab es vom Roten Höhenvieh in ganz Deutschland nur noch zehn männliche Tiere und 377 weibliche. 2016 wurden 143 männliche und 1879 weibliche Tiere gezählt.

„Wir hatten Schafe, Hühner und Kaninchen“

Steinigeweg ist Nebenerwerbslandwirt. Der Mann ist im Vorruhestand, war als Bauingenieur bei den Dortmunder Stadtwerken 25 Jahre als Dienststellenleiter im Verkehrsbetrieb zuständig für Haltestellen, Tunnel und Gebäude. Vandalismus und dessen Bekämpfung war sein großes Thema. Als ausgewiesener Graffiti-Experte hat sich der Wittener bundesweit einen Namen gemacht. Wie kam er zum lieben Vieh?

Der Mann erzählt: „Ich bin hier in Vormholz aufgewachsen. Das ehemalige Kötterhaus, in dem ich mit meiner Frau wohne, hat mein Vater gekauft, der war Maschinenbau-Ingenieur. Als ich Kind war, hatten wir hier einen Garten, Schafe, Hühner und Kaninchen.“ Steinigewegs Ehefrau Ute stammt von einem Hattinger Bauernhof, einem früheren Milchviehbetrieb.

„Wir melken nicht, die Milch ist für die Kälber“

Die Idee, sich seltene rote Rinder anzuschaffen, hatte ihr Sohn Jan, ein Tischlermeister. Die Familie informierte sich. Die Entscheidung fiel aufs Rote Höhenvieh. Denn die Tiere sind robust und langlebig, haben vitale Kälber, sind genügsam, fressen auch Disteln, Brennnesseln und Wildkräuter. Erst bei Dauerfrost und Schnee geht es von der Weide in den Stall.

Martin Steinigewegs rote Kälber. Die Tiere sind handzahm. Foto: Thomas Nitsche - Funke Foto Services
Martin Steinigewegs rote Kälber. Die Tiere sind handzahm. Foto: Thomas Nitsche - Funke Foto Services

„Wir haben hier seit acht Jahren eine Mutterkuhhaltung. Wir melken nicht, die Milch ist für die Kälber“, erklärt Martin Steinigeweg. Seine fünf Kühe hören auf die Namen Lena, Luna, Lotte, Daggi und Dana, die alle einmal im Jahr ein Kalb bekommen. Der separat gehaltene, rund 800 Kilo schwere Zuchtbulle, dem im Stall nachts Kater Felix Gesellschaft leistet, heißt Eragon. Nur die handzahmen Kälber bleiben namenlos.

Das würzige, magere Fleisch wird an Bekannte verkauft

Warum? „Weil sie bei uns heranwachsen und wir uns dann von ihnen trennen. Sie gehen an Züchter oder werden geschlachtet.“ Das würzige, magere Fleisch werde nur an Bekannte verkauft. „Wir hatten auch schon Anfragen von einem Metzger und einem Supermarkt. Aber dafür haben wir nicht genug Tiere.“

Ein Metzger verarbeite das Fleisch zu Steaks, Gulasch, Rouladen und Mett. Martin Steinigeweg gibt zu, dass es ihm und seiner Familie schwer falle, wenn die Tiere zum Schlachthof gehen. „Aber wir müssen ein bisschen wirtschaftlich arbeiten, sind froh, wenn wir unsere Kosten decken können.“

Streicheleinheiten mit dem Schrubber

Zur Haltung der Rinder habe man Land hinzugepachtet, man benötige auch Geld für die Versicherung, Sprit und Diesel. Steinigeweg arbeitet mit drei anderen Nebenerwerbslandwirten in Vormholz zusammen. „Wir mähen gemeinsam, helfen uns gegenseitig mit unseren Maschinen. Ich habe einen Traktor, einen Radlader und Heumaschinen.“ An dem Ingenieur ist auch ein guter Handwerker verlorengegangen. Mit Sohn Jan und Freunden hat er den zu seinem Haus gehörigen Stall umgebaut. „Der war vorher zu klein.“

Seine roten Rinder haben Charakter, wie Steinigeweg betont. „Wir können die Tiere anfassen, streicheln.“ Dabei müsse es aber gerecht zugehen. Denn seine Rinder würden auch Neid und Eifersucht kennen. Was alle genießen: „Streicheleinheiten mit dem Schrubber!“

>>> ROTE RINDER GAB ES FRÜHER IN GANZ EUROPA

Einfarbig rote Rinder, sogenanntes Rotvieh, waren im 18. und 19. Jahrhundert in ganz Europa und Vorderasien verbreitet. 1896 gab es in Deutschland noch über 134 000 rote Rinder. 40 Jahre später war der Bestand auf 44 000 Tiere geschrumpft.

1950 umfasste die Rasse noch ein Prozent des gesamten deutschen Rinderbestandes. Die Intensivierung der Landwirtschaft und die einseitige Zucht auf eine möglichst hohe Milchleistung hin führten in der Nachkriegszeit zum Niedergang des Harzer Rotviehs.