. Heimische Vierbeiner werden seltener abgegeben, weil Leute über das Internet vermitteln. Gefragt sind in Hunde aus Südeuropa.
- In den Tierheimen gibt es kaum kinderliebe Familienhunde
- Organisationen holen Hunde aus Südeuropa, die in ihren Herkunftsländern völlig chancenlos sind
- Andererseits landen diese Hunde mitunter wieder im Tierheim – weil es dann doch nicht so einfach ist
In vielen Briefen kritisieren unsere Leser, dass Tierschutzorganisationen immer öfter Hunde und Katzen aus Südeuropa vermitteln. „Bei uns gibt es doch genug Hunde, die ein neues Zuhause suchen“, lautet ein häufiges Argument. Eine falsche Annahme, wie Iris Drögehorn vom Wittener Tierschutzverein „Arche Noah“ erklärt: „Wir bekommen inzwischen viel weniger und meist sehr alte Hunde.“ Auch diese werden vermittelt. Leere Plätze füllten die Ehrenamtlichen mit vierbeinigen Ausländern auf.
Dass es weniger heimische Vermittlungshunde gibt, erklärt Iris Drögehorn so: „Schwer vermittelbare“ Rassen gibt es seltener, weil die Zucht verboten wurde. Und: „Die Leute verkaufen oder verschenken ihre Tiere über das Internet, deswegen werden weniger abgegeben.“ Hunde aus Spanien, Griechenland, Ungarn, der Türkei und Frankreich machen inzwischen einen „sehr großen Prozentteil der Vermittlungsarbeit aus“.
Große Nachfrage nach Familienhunden
Wenn man auf der Internetseite der Arche Noah guckt, findet man dort vier junge griechische Mischlinge und fünf bis zu zehn Jahre alte große Hunde aus der Umgebung. Die Krux: Ein 60 Kilo schwerer Kangal ist für viele Menschen kaum zu halten, mit einem schwierigen Schäferhund können Anfänger nicht umgehen.
Die Arche Noah arbeitet mit dem Wittener Verein „Notfelle-im-Revier“ zusammen, die die Tiere nach Witten holen. „Im Grunde füllen wie eine Lücke“, sagt die Vorsitzende Renate von Heyden-Klaaßen. „In den Tierheimen gibt es kaum kinderliebe Familienhunde. Wir holen Hunde, die in ihren Herkunftsländern völlig chancenlos sind und von denen wir wissen, dass sie hier supergute Vermittlungschancen haben. Denn sie sind unglaublich lieb, dankbar und bescheiden.“ Die meisten blieben höchstens vier Wochen im Heim.
Nicht jeder Hund will gerettet werden
Anders stellt sich die Situation im Tierheim an der Wetterstraße dar. „Die Bude ist voll“, sagt Mitarbeiterin Birgit Baumann. Nicht selten nehme sie einen Südeuropa-Hund auf, mit dem eine Familie dann doch nicht klar kam. „Die Vermittlung erfolgt, ohne das Tier vorab zu sehen. Manche Familien holen den Hund direkt am Flughafen ab.“ Der kinderfreundliche Hund zeige Probleme, reagiere zum Beispiel aggressiv auf den Autoverkehr oder Fahrradfahrer – weil ihm dies völlig fremd ist.
Verurteilen möchte Birgit Baumann die Tierverschickung nicht. „Aber ich glaube, dass nicht jeder Hund, der gerettet wird, das auch will. Viele sind das freie Leben ja gewöhnt.“ Kastrationsaktionen vor Ort schlägt sie als Mittel vor. „Und das Problem hätte sich in einigen Jahren von selbst gelöst.“
Ein Umdenken in den Herkunftsländern empfindet auch Iris Drögehorn als „den richtigen Weg“. Aber das sei ein Prozess, der noch lange dauert. „Darauf können die Tiere in den Tötungsstationen nicht warten.“ Renate von Heyden-Klaaßen bleibt kritisch. „In Spanien hat sich viel getan. Aber in Griechenland sind die Leute viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Über Tierschutz denkt kein Grieche nach.“
Wie die südeuropäische Hunde nach Witten kommen
Vor einer Woche erst ist die Wittenerin Renate von Heyden-Klaaßen mit dem Flugzeug in Düsseldorf gelandet. Im Sondergepäck: zehn Hunde und fünf Katzen, die zuletzt bei einer Tierschützerin in Griechenland lebten, dort geimpft und gechipt wurden und dann – unter anderem – im Wittener Tierheim landen. Wohl wissend: in wenigen Wochen werden diese Tiere hier ein neues Zuhause finden.
Die Arbeit des 2011 gegründeten Vereins „Notfelle im Revier“ ist legal, die Vierbeiner werden mit gültigen Papieren per Flugzeug oder in Transportbussen nach Deutschland gebracht. „Wir holen nicht wahllos Hunde herbei. Ich suche die Tiere vor Ort gezielt aus, bei Kooperationspartnern, die wir schon jahrelang kennen.“ Neben Witten liefert „Notfelle“ den Tierheimen in Herne und Heinsberg zu.
Geschockt von Besuch in ausländischem Zwinger
Sie selbst nahm dieses Ehrenamt schon vor 25 Jahren auf. Als häufige Spanienurlauberin konnte sie das Elend dort nicht länger mitansehen. Ein Besuch in einem südeuropäischen Tierheim öffne die Augen. Dort seien in einem Zwinger nicht ein Hund, sondern fünf untergebracht. Da kämen schnell 100 Tiere pro Einrichtung zusammen. Etwa 14 Tage verbleiben die Vierbeiner im Tierheim, dann werden sie eingeschläfert oder vergast. Wenn Renate von Heyden-Klaaßen einige Tiere mit nach Deutschland nimmt, dann sei das ein „Abschöpfen“, das Gros der Tiere könne sie nicht retten.
Schwarze Schafe gäbe es natürlich. Die 56-Jährige warnt insbesondere vor dem blühenden Welpenhandel, bei dem die Tiere über Ebay verkauft werden. „Das ist reine Geldmacherei, die unter dem Decknamen Tierschutz läuft.“
Das Argument, man solle deutsche Tierheimhunde bevorzugen, wertet sie als rassistisch. „Hat es ein deutscher Hund eher verdient, ein neues Zuhause zu finden?“