Witten. . Der streitbare Theologe stellte am Sonntag in der Uni Witten sein aktuelles Buch vor. Ein eindrucksvoller und lauter Vortrag zu Martin Luther.
- „Luther wollte mehr“, behauptet der streitbare Theologe Eugen Drewermann in seinem aktuellen Buch
- An der Uni Witten sprach er auch vor vielen jungen Zuhörern
- Der Vortrag des 77-jährigen war ungemein eindrucksvoll und bei aller Weitschweifigkeit spannend und anregend
Werke über Martin Luther gibt es wie Sand am Meer. Und gerade zum Lutherjahr, das auf 500 Jahre Reformation zurückblickt, sind wieder enorm viele Bücher vollgeschrieben worden. Und dann kommt Dr. Eugen Drewermann, dieser Kirchenquerulant, und eignet sich eine Meinung an. „Luther wollte mehr“, behauptet er in seinem aktuellen Buch. Klar. Aber was denn?
Dass es auf diese Frage keine einfache Antwort gibt, wurde in Drewermanns über 90-minütigem Vortrag klar. Das Audimax der Uni Witten war am Sonntag voll besetzt. Im Publikum befanden sich erstaunlich viele junge Leute. Wer nach dem Referat die Fragezeichen im Kopf daheim loswerden wollte, konnte sich am Bücherstand Drewermanns Buch kaufen.
Der Vortrag des 77-jährigen Theologen und Psychoanalytikers war ungemein eindrucksvoll und bei aller Weitschweifigkeit spannend und anregend. „Gott soll kein Angstpopanz sein“, rief er und knallte sich die rechte Faust in die linke Handfläche. Er bezog sich auf Luthers Wittenberger Guerilla-Aktion und bemerkte: „Der Thesenanschlag sollte eine Diskussion anlässlich der Ablassfrage auslösen, keine Reformation.“
Aufgeregt wie Jesus bei den Geldwechslern im Tempel
Drewermann regte sich in seiner freien, flüssigen Rede mitunter auf wie Jesus bei den Geldwechslern im Tempel. „Man versteht Luther erst, wenn man ihn nicht als Reformator sieht“, stellte er fest und wurde dann geradezu laut, als er ihn als Einzelkämpfer beschrieb, der nur seinem Gewissen verpflichtet gewesen sei.
„Luther wollte mehr“ ist eine kritische Bilanz, eine Abrechnung mit 2000 Jahren Kirchengeschichte, die der „Bergpredigt keinen einzigen Zentimeter näher gekommen“ sei. Auch bettet der streitbare Geist historische Personen und Denker mit ein: Jan Hus, Schopenhauer, Niklas Luhmann, Kierkegaard. Selbst vor dem Terrorsympathisanten Jean-Paul Sartre macht er nicht Halt. Und Kaiser Constantin, unter dessen Herrschaft das Christentum im Römischen Reich zur Staatsreligion wurde, habe Christus zum Kriegsgott gemacht. Ja, das kann man so sehen.
Humor bei der Tonprobe
Drewermann zetert, schimpft und schlägt vor: Anstelle von „Sünde“ solle man von „Verlorenheit“ sprechen. Der Marxismus habe kläglich versagt, der gegenwärtige Zustand des Kapitalismus sei dabei, es der gegnerischen Ideologie gleich zu tun. Und dass Wolfgang Schäuble die Rente mit 67 befürworte, sei auch nicht in Ordnung. Selbst Johannes der Täufer kommt nicht gut weg. Der habe moralische Strenge gefordert, Jesus hingegen stand für unbedingte Güte.
Und genau die brauche der Mensch, die Gnade Gottes. Denn: „Wir sind in dieser Welt nicht notwendig. Der Mensch wird allein gerechtfertigt durch Gottes Gnade.“ Dass der gebürtige Bergkamener nicht ohne Humor durchs Leben geht, bewies er bei der Tonprobe: „Jetzt mal die Höhen, jetzt die Tiefen, und jetzt ein bisschen westfälischer Dialekt.“ Regionale Verwurzelung kommt immer gut an.
>> Zur Person: Eugen Drewermann
Eugen Drewermann studierte Philosophie in Münster, Theologie in Paderborn und Psychoanalyse in Göttingen. 1966 wurde er zum Priester.
Aufgrund seiner zunehmend kritischen Haltung gegenüber der Amtskirche und weil er seine in vielen Belangen von der Kirchenführung abweichenden Meinungen nicht korrigieren wollte, entzog ihm Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt im Oktober 1991 die kirchliche Lehrerlaubnis, dem folgte das Predigtverbot und im März 1992 die Suspension vom Priesteramt. 2005 trat er aus der katholischen Kirche aus.