Witten. . Theologe Samet Er erklärt, wie das Zusammenleben von Religionen funktioniert. Positive Begegnungen in der Geschichte werden oft vergessen.
- Theologe Samet Er spricht darüber, wie das Zusammenleben von Religionen funktioniert
- In der Vergangenheit gäbe es viele Begegnungen
- Das werde in Geschichtsbüchern oft vergessen
Religionen können nebeneinander und auch miteinander leben, weiß der Theologe Samet Er. Wie dies gelingen kann, darüber hat der gebürtige Stuttgarter in seinem Vortrag beim Wittener Verein Lernimpuls gesprochen. Der 28-Jährige arbeitet als Deradikalisierungs-Experte im niedersächsischen Justizministerium in Hannover. Zum Auftakt der Serie „Religionen in Witten“ sprechen wir mit dem islamischen Theologen über das Zusammenleben von Religionen.
Sie sprechen im Vortrag über interreligiösen Dialog. Was ist damit gemeint und wie kann er gelingen?
Samet Er: Interreligiöser Dialog meint den Zusammenhalt zwischen den Religionen. Das hat es bereits in der Geschichte gegeben, dass Vertreter des Christentums und des Islams sich begegnet sind und miteinander gesprochen haben. In den Geschichtsbüchern hören wir oft nur von negativen Ereignissen wie den Kreuzzügen.
Welche positiven Begegnungen hat es gegeben?
Im 13. Jahrhundert zum Beispiel haben sich Kaiser Friedrich II und Franz von Assisi mit dem muslimischen Kalifen aus Jerusalem getroffen. Gerade auch in der Region Andalusien, wo viele Kulturen zusammentrafen, sind solche Begegnungen nicht unüblich gewesen. Christliche, muslimische oder jüdische Gelehrte, die zusammenkommen und sich über den Glauben an Gott austauschen, das hat es schon vor 800 Jahren gegeben.
Warum sollten Ereignisse wie diese in den Geschichtsbüchern festgehalten werden?
Vielen deutschen muslimischen Jugendlichen fehlen positive Vorbilder, mit denen sie sich identifizieren können. Gerade wenn positive historische Ereignisse nicht erwähnt werden. Das ist ein Manko im deutschen Geschichtsunterricht, das ich schon kritisieren würde.
Wir haben über historische Ereignisse gesprochen. Welche praktischen Beispiele gibt es heute?
Das „House of One“ in Berlin wäre ein Vorbild. Das ist eine Gebetsstätte für drei Religionen und ein Beispiel, das es auch schon in die Schulbücher geschafft hat. Ein anderes Beispiel ist meine universitäre Arbeitsgruppe, wo ich mit katholischen und evangelischen Theologen über Gott und die Stellung des Propheten diskutiere. Wichtig für den interreligiösen Zusammenhalt ist, dass jeder sich seiner eigenen Religion bewusst ist und auf dieser Basis kann man mit Gemeinsamkeiten und Unterschieden zusammenleben.
Wie ist man sich seiner Religion denn „bewusst“?
Das bedeutet, dass man die Stellung der eigenen Religion auch hinterfragt. Man wächst ja meistens einfach so mit der Religion auf. Aber was bedeutet diese überhaupt? Das sollte man reflektieren können. Ich plane zum Beispiel mit einer Gruppe christlicher Theologen eine Reise nach Albanien und in den Kosovo. Wir schauen uns das Leben christlicher und islamischer Institutionen vor Ort an. Dabei geht es nicht darum, uns gegenseitig zu bekehren. Der Zweck ist es, die andere Religion kennenzulernen und Sensibilität dafür zu entwickeln.
In Witten gibt es die Gemeinschaft „Religionen für den Frieden“. Sie laden jährlich zum gemeinsamen Friedensgebet, Osterfrühstück oder Ramadan-Fastenbrechen ein. Wie bewerten Sie das?
Definitiv wäre das ein Beispiel für interreligiösen Zusammenhalt. Ich finde das gemeinsame Gebet und das Zusammenkommen zu verschiedenen religiösen Feierlichkeiten ein Muss für interreligiöse Begegnung.
>>> Sieben Religionen beten gemeinsam für den Frieden
- Die Evangelische Kirche von Westfalen und die Moschee Wideystraße haben 1983 die Wittener Gemeinschaft „Religionen für den Frieden“ gegründet. Heute gehören ihr sieben Religionen an.
- Am Donnerstag (23.9.) lädt die Gemeinschaft um 19.30 Uhr zum Friedensgebet der Religionen ins Bosnische Kulturzentrum an der Breite Straße 5 ein. Weiteres Programm: www.wcrp-witten.de.