Witten. . Lesementoren betreuen Kinder, die sich damit schwer tun, Texte zu entziffen. 55 Ehrenamtliche gehen inzwischen in die Wittener Grundschulen.

  • 2014 gründeten die Wittenerin Erika Walter und Bibliotheks-Chefin Christine Wolf die Lesementor-Gruppe in Witten
  • Inzwischen machen 55 Ehrenamtliche mit
  • Heide Kalkoff (75) hat schon viele Lesekinder betreut. Ihr jüngstes Schulkind ist ein kleiner „total pfiffiger“ Grieche

Eigentlich wollte Heide Kalkoff nur gucken, wie das so ist, mit einem Kind das Lesen zu üben. „Das machte soviel Freude, da bin ich geblieben.“ Erst seit drei Jahren gibt es Lesementoren in Witten. Inzwischen machen 55 Ehrenamtliche mit und Heide Kalkoff organisiert die Gruppe.

Auch Ellen Bobe-Kemper betreut seit drei Jahren Kinder an der Rüdinghauser Grundschule. Die 64-Jährige war damals frisch im Ruhestand und suchte ein Ehrenamt. In einem Zeitungsartikel stieß sie auf das Projekt. „Ich lese sowieso gerne vor. Außerdem geht es um eine Schulstunde in der Woche, soviel Zeit hat doch eigentlich jeder.“

Antwort auf die PISA-Studie

Zurzeit kümmert sie sich um ein türkisches Mädchen, mittlerweile im zweiten Jahr. Die beiden setzen sich in einer sechsten Schulstunde in die Schulbibliothek – während die Klassenkameraden weiter Unterricht habe. „Die Schule entscheidet, ob das Kind nicht mehr von der Lesestunde profitiert“, erklärt Heide Kalkoff das Prinzip.

Ellen Bobe-Kempers „Lesekind“ nutzt gern die Sonderbehandlung, „die anderen gucken dann immer neidisch“. Das war anfangs nicht so. „Wir haben immer nur Memory gespielt. Irgendwann hatte ich sie geknackt, dann durften wir lesen.“ Highlight ist inzwischen das abwechselnde Lesen der Kinderzeitung – inklusive Rätsel und Witze.

In Bochum lesen 500 Ehrenamtliche mit

2014 gründeten die Wittenerin Erika Walter und Bibliotheks-Chefin Christine Wolf die Mentor-Gruppe in Witten. Beide kannten die Initiative aus Bochum. Dort wird seit zehn Jahren gelesen, 500 Ehrenamtliche machen mit. Das Projekt selbst ist eine Antwort auf die ersten PISA-Studien und wurde von einem Hannoveraner Buchhändler erdacht. Gedacht sind diese Lesestunden vor allem für Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist oder die aus sozial schwachen Familien kommen.

In der Ruhrstadt sind die Mentoren Teil der Stadtbücherei. Dort finden auch Gruppentreffen mit Vorträgen statt. „Eigentlich sind wir Einzelkämpfer und da tut es gut, sich mal auszutauschen“, sagt Heide Kalkoff. Vielen Mentoren sind auch Mitglieder im Förderverein LitWit. Es gibt einen kostenlosen Nutzerausweis für die Stadtbibliothek, auch um sich mit Lesestoff für die Kinder zu versorgen.

Jungs fällt das Lesen lernen schwerer

Heide Kalkoff (75) hat schon viele Lesekinder betreut. Immer Jungs, „vielleicht tun die sich schwerer mit dem Lesen“. Ihr jüngstes Schulkind, ein kleiner „total pfiffiger“ Grieche, hatte kürzlich sein Schlüsselerlebnis – er liest perfekt. Damit geht es ihm in allen Fächern besser, denn wer die Aufgabenstellungen nicht richtig verstehen kann, hinkt hinterher. Ellen Bobe-Kemper: „Wir sind ein kleiner Beitrag zur bestehenden Chancen-Ungleichheit in Deutschland.“

>> Es fehlen weitere Ehrenamtliche

Die Leselernhelfer sind zurzeit an 14 Wittener Grundschulen im Einsatz. An manchen Grundschulen wäre der Bedarf viel höher – das heißt, die Lehrer hätten Kinder, die sich über die spielerische Nachhilfe in Sache Lesen freuen würden, etwa an der Gerichtsschule, Crengeldanzschule, Erlenschule.

Unversorgt sind die Grundschulen Borbach, Buchholz und die Pferdebachschule, auch hier werden Ehrenamtliche gesucht. Viele „flotte Alte“ machen bei den Lesementoren mit, auch einige pensionierte Lehrer. Gefragt sind alle, die gern lesen und Geduld haben. Kontakt: 189151 (H. Kalkoff), mentor@litwit.de.