witten. . In einer neuen Serie mischen wir uns für 30 Minuten unter die Menschen, zum Auftakt mittags auf dem Wochenmarkt. Da kann man was Nettes erleben.
Die Sonne lacht, es ist Markt und ich habe Hunger! Vorbei die Zeiten, als man an den Ständen nur rotbackige Äpfel, dicke Kartoffeln und vielleicht noch frischen Fisch für Freitag besorgte. Längst kann man dort auch seine Mittagspause verbingen und satt werden. Frag Rosi.
Heute serviert die muntere Dame an der Gulaschkanone Linsensuppe mit Einlage. Da lass ich mich nicht lange bitten. „Mit Brötchen?“ fragt die Frau in der dunklen Weste. Wir kommen schnell unter dem Vordach des weißen Hängers ins Gespräch – sie hinterm Tresen, ich an dem hohen runden Holztisch.
17 Jahre in der Altenpflege geschuftet
17 Jahre hat die 60-Jährige in der Altenpflege geschuftet, später Zeitungen ausgetragen und dann als Saisonarbeiterin Spageln und Erdbeeren verkauft. Dann lernte sie eine Kollegin an der Gulaschkanone kennen – und schwups hatte Rosi einen neuen Job. Ihr Mann war tot, der neue Lebensgefährte an Krebs gestorben – sie hat genug Zeit, um zwei- oder dreimal in der Woche die Kelle zu schwingen.
Gerade holt sich Volker Kriszeit einen „Eimer“ Kesselgulasch für zuhause. Der 46-Jährige hat Urlaub. Sein Motto fürs Mittagessen lautet: „Möglichst einfach, möglichst schnell.“ Da ein Eimer mehr als eine Portion ist, will er sich den Rest abends aufwärmen. Guten Appetit!
Andere Gäste wie Christian Leisten (34) und Andreas Dinius (50) verputzen die Hausmannskost gleich vor Ort. Viele, die bei Rosi vorbeikommen oder nebenan einen Backfisch verdrücken, sind Berufstätige aus dem Rathaus. Andreas Dinius ist Cheffahrerin der Bürgermeisterin, Leisten chauffiert den Landrat. Und jetzt raten Sie mal, wer sich gerade oben im Amtszimmer trifft, während die beiden hier unten bei Rosi stehen...
Flachsen mit zwei lockeren Cheffahrern
Die Fahrer sind lockere Typen. „Ist das Gulasch scharf?“ fragt der eine und erinnert sich an eine Suppe, bei der ihm fast die „Haare weggeflogen wären“. Rosi findet seine Sonnenbrille scharf und freut sich, „wieder von den tollsten Männern umgeben zu sein“. Ein anderer fragt nach Besteck für seine Frikadelle. Gabeln sind aus, also kriegt er einen Löffel. „Dann kleckern’ Sie auch nicht so“, sagt Rosi.
Eigentlich kommt sie aus dem Bergischen („hört man dat immer noch?“), der Liebe wegen zog sie nach Dortmund. Ob die Wittener denn netter seien, will der Reporter wissen. Der Menschenschlag sei anders, sagt Rosi, die eigentlich Rosemarie heißt. Unterschiede gebe es aber auch in Witten selbst.
Schneer sind anders drauf als Leute in der City
Wenn sie mit ihrer Gulaschkanone zum Beispiel in Schnee stehe, kämen die Leute, „egal ob’s kübelt oder schneit“. Beim Wochenmarkt in der Stadt würden sich die Menschen dagegen eher schon mal hinterm Ofen verstecken. Doch auf die Idee kommt bei dem schönen Wetter heute keiner. Viel zu schnell sind 30 Minutenrum und der Teller mit der Erbsensuppe ist leergeputzt. Tschüss, Rosi, war lecker!