witten. . Die Rudolf Steiner Schule an der Billerbeckstraße in Heven feiert ihren 40. Geburtstag. Dort ist vieles anders als an herkömmlichen Schulen.
- Rudolf Steiner Schule an der Billerbeckstraße feiert runden Geburtstag
- Mit vier „Balkonklassen“der Dortmunder Waldorfschule fing alles an
- Heute unterrichten 35 Lehrer 400 Schüler. Eltern finanzieren Betrieb mit
Es begann mit ein paar Eltern, die sich eine Waldorfschule in Witten gewünscht und dafür stark gemacht haben. Nun feiert die Rudolf Steiner Schule an der Billerbeckstraße ihren 40. Geburtstag.
Uwe Weiler hat die Anfänge der Schule miterlebt. Seit 35 Jahren ist er dort Lehrer, seit 13 Jahren leitet er die Schule. „Angefangen hat alles 1977 mit vier ,Balkonklassen’ in der Dortmunder Waldorfschule“, sagt Weiler. Diese „Balkonklassen“ wurden extra für die Schüler aus Witten eingerichtet.
„Für die Eltern war es natürlich sehr aufwändig, ihre Kinder jeden Tag hin- und herzufahren.“ Doch für eine eigene Waldorfschule in Witten brauchte es erst zwei sogenannte Gründungslehrer. „Das müssen erfahrene Lehrer sein, die bereit sind, eine neue Schule aufzubauen“, sagt Weiler. „So werden alle Waldorfschulen gegründet.“
1979 konnten die Eltern schließlich zwei Lehrer von der Waldorfschule in Langendreer für ihre Idee gewinnen, Frau Sydow und Herrn Motte. „Die beiden sind der Schule bis zu ihrem Ruhestand treu geblieben, inzwischen aber leider verstorben“, sagt Uwe Weiler.
„Seit 1983 leben wir in unserem eigenen Dorf“
Bevor die Rudolf Steiner Schule an die Billerbeckstraße 2 in Heven zog, verbrachte sie drei Jahre in einem alten Schulgebäude am Crengeldanz. „Seit 1983 leben wir in unserem Dorf, in dem jede Stufe ein eigenes Häuschen hat“, sagt Weiler. Die Grundschule wuchs stetig und wurde bald durch eine Oberstufe ergänzt. 1986, neun Jahre nach ihrer Gründung, beherbergte die Schule bereits eine eigene „Balkonklasse“. Aus ihr erwuchs die zweite Waldorfschule in Witten (Blote Vogel).
Heute arbeiten beide Schulen wieder zusammen, um den Abiturienten mehr Leistungskurse anbieten zu können. Regelmäßig bringt ein Shuttlebus die Schüler der Billerbeckstraße zum Annener Berg und zurück. Doch nicht nur das hat sich geändert. „Wir sind eine Schule auf dem freien Markt. Wir müssen attraktiv bleiben und uns den aktuellen Entwicklungen anpassen“, sagt Weiler. „Natürlich ohne unsere Identität als Waldorfschule zu verlieren.“
Die Schule trägt den Namen von Rudolf Steiner, der die Waldorfpädagogik begründet hat. „Der Lehrplan der Waldorfschulen ist auf die Weite der in den Kindern liegenden seelischen und geistigen Veranlagungen und Begabungen ausgerichtet“, wie es in einer Erläuterung heißt. Gleichberechtigt gefördert würden ihre intellektuell-kognitiven Fähigkeiten („Denken“), künstlerisch-kreativen („Fühlen“) und handwerklich-praktischen („Wollen“).
Kein Schüler bleibt sitzen, Noten gibt es erst viel später
Kinder zeichnen Formen, stehen früh auf der Bühne, lernen Eurythmie („der schöne Rhythmus“), widmen sich in „Epochen“ über Wochen einem bestimmten Thema, ernten Kartoffeln und Möhren auf dem der Schule verbundenen Demeterhof. Keiner bleibt sitzen, Lehrbücher gibt es kaum, Noten erst viel später.
Auf dem Stundenplan stehen heute auch Computertechnologie, Spanisch und Zirkus. Man geht mit der Zeit. Während die Schüler früher um zwölf Uhr gingen, bleiben viele heute bis zum Nachmittag im offenen Ganztag. „Früher hatte man auch 42 Kinder in einer Klasse, die alle in etwa den gleichen Entwicklungsstand besaßen“, sagt Uwe Weiler. „Da hat man gießkannenmäßig allen dasselbe erzählt.“ Heute seien die Klassen kleiner – und der Unterricht differenzierter. „Was die Kinder mitbringen, wenn sie in die Schule kommen, klafft einfach immer weiter auseinander.“
Doch auch die Lehrer hätten sich verändert. „Früher gab es viele mit großem Idealismus. Heute wird die Waldorfschule eher als ein Einstieg in den Lehrerberuf gesehen“, sagt Weiler. Dabei sei eine Stelle hier „bombensicher“ – wenn auch nicht gleich gut bezahlt wie an einer staatlichen Schule. „Auch verbeamtet wird man nicht.“ Sylvia Schneider kann sich trotzdem nichts Schöneres vorstellen. „Bevor ich nach Witten gekommen bin, war ich zehn Jahre in Langendreer. Aber die Schule war mir zu groß. Hier kann ich viel mehr meine eigenen Ideen einbringen.“ Seit 15 Jahren unterrichtet sie in Witten und will daran so schnell nichts ändern. „Wer diese Freiheit hier erlebt hat und den kollegialen Umgang miteinander, der gibt das nicht mehr so schnell her.“