. Ein Stadtrundgang mit Renate Demant auf den Spuren von Hexen, Folter und Aberglaube.Das Galgeneck stand gegenüber den heutigen Stadtwerken.

  • Stadtrundgang mit Renate Demant auf den Spuren von Hexen, Folter und Aberglaube
  • Das Galgeneck stand gegenüber den heutigen Stadtwerken
  • Bauer Bottermann wurde dreimal versenkt

Trine ist eigentlich gar keine Marktfrau, sondern die Stadtführerin Renate Demant. Aber eine mittelalterliche Marktfrau „war so etwas wie die Bildzeitung“, sagt sie. Auf dem Markt wurden Gerüchte gestreut und Beschuldigungen in die Welt gesetzt. Aus dem Stadtgespräch wurde dann schnell ein Inquisitionsverfahren, das meistens für die Beschuldigten auf dem Scheiterhaufen endete.

Das Wittener „Galgeneck“ war weit außerhalb der Stadt, ungefähr dort, wo heute die Häuser gegenüber den Stadtwerken stehen. Eine Hinrichtung war für die Bürger ein Fest, aufregend und spannend. Und so zogen sie alle zusammen aus der Stadt, um die verurteilten Hexer und Hexen brennen zu sehen.

Renate Demandt schickt im Auftrag des Stadtmarketings Interessierte auf die Spuren der Hexen. Ihr Rundgang am Sonntagnachmittag führt vom Rathausplatz zur Johanniskirche, durchs Oberdorf zum Schwanenmarkt, vorbei am Hexenhaus gegenüber der Bottermannstraße, weiter zum Haus Berge und dem Sackträger-Brunnen.

Vor der Johanniskirche, der ältesten Kirche Wittens, fängt Trine ihre Erzählung an. Um 880, als in dieser Gegend das Christentum verpflichtend wurde. Alle alten Götter und Götzen durften nicht mehr angebetet werden und alle waren aufgerufen, von jetzt an in die christliche Kirche zu gehen. So hieß der Ort um die damalige Johanniskirche auch nicht Witten, sondern Kirchdorf.

An der Johanniskirche startete die Tour.
An der Johanniskirche startete die Tour. © Barbara Zabka

Und die Kirchenväter hatten so einiges geschrieben, das den Hexenglauben in der Bevölkerung stärkte. Zitiert sei Thomas von Aquin: „Dicke Männer sind Lügner.“ Oder: „Mädchen entstehen durch schadhaften Samen oder durch feuchte Winde.“ So etwas wurde von der Kanzel gepredigt und stellte Frauen noch unter das Vieh im Haus. „Ähnlich wie alleinerziehende Mütter heute mussten sich die Frauen durchbeißen, wenn sie durch Angriffe ihren Mann verloren hatten und dazu noch Kinder und Hof hatten. Es entstand eine Generation von sehr unbequemen Frauen“, so Trine. „Sie wurden gerne zu Sündenböcken gemacht.“ Da reichte es schon, wenn dem Nachbarn die Milch sauer geworden oder ein Pferd eingegangen war.

Der große Reformator Martin Luther selbst glaubte an Hexen und wollte sie streng verfolgen. Er fordert den Scheiterhaufen für Hexen und rief dazu auf, kein Mitleid mit ihnen zu haben.

Um die Johanniskirche herum war damals ein Friedhof und für das Ansehen war es ganz wichtig, in geweihter Erde beerdigt zu werden und die Sakramente zu empfangen. Bei unehrenhaft Verstorbenen, etwa den Hexen und Hexern, war das anders. Ihre Asche wurde einfach in alle Winde verstreut, nicht ohne, dass die Beschuldigten vorher den Prozess, das Holz für den Scheiterhaufen und das anschließende Festmahl selbst bezahlen mussten. Zwar durfte ein Hof nicht konfisziert werden, aber wenn nichts da war, mussten die Schulden natürlich mit dem Hof beglichen werden. Eine gute Einnahmequelle für die Kirche. Und wer unbequem war, konnte auch gleich so aus dem Weg geräumt werden.

Die Hexe auf dem Besen an der Ecke Bottermannstraße erinnert an das traurige Schicksal des gleichnamigen Bauern. Er wurde wegen Hexerei zum Tod verurteilt.
Die Hexe auf dem Besen an der Ecke Bottermannstraße erinnert an das traurige Schicksal des gleichnamigen Bauern. Er wurde wegen Hexerei zum Tod verurteilt. © Barbara Zabka

Bei den Hexenprozessen gab es neben dem Richter immer auch zwei Schöffen, also Bürger. Einer von ihnen war der Bauer Bottermann. Seine Stimme hatte Gewicht in der Gemeinde. Das hat ihm allerdings nichts genützt. Beim Frondienst bei Anna von Recke, Herrin auf Haus Berge, starb ein Pferd und auch eine Ziege soll er verhext haben. Und so wurde der einstige Inquisator nun selbst angeklagt und der „Wasserprobe“ unterzogen: von einem Felsen unterhalb des Hohenstein wurde er gefesselt in eine 30 Meter Untiefe in die Ruhr geworfen. Der Aberglaube sagte, dass wer oben schwamm, schuldig war, wer unterging unschuldig. Tot waren die meisten danach sowieso, aber die „Unschuldigen“, die in der Ruhr versunken waren, kamen wenigstens auf den kirchlichen Friedhof.

Bauer Bottermann musste drei Mal geworfen werden. Jedes Mal blieb er oben, ein physikalisch normaler Vorgang, den jeder kennt, der im Freibad schon einmal von Dreimeterbrett gesprungen ist. Durch die Wucht des Aufpralls kommt der Körper zuerst wieder hoch. So war Bauer Bottermann 1648 der letzte aktenkundige Hexer von insgesamt sieben nachweislich Verurteilten. Marktfrau Trine ergänzt, dass dies aber nur die Spitze des Eisbergs gewesen sein kann, weil allein der Richter Übelding in zehn Jahren siebzig Urteile verhängt hat. Bei etwa 350 Einwohnern in Witten war also in zehn Jahren jeder fünfte Bürger angeblich dem Teufel zum Opfer gefallen und getötet worden.

Von der Oberstraße geht heute noch die kleine Bottermannstraße ab, die zu den Feldern des Bauern führte. Gegenüber hat der Hausbesitzer der Geschichte ein Denkmal gesetzt und eine riesige Hexe auf einem Besen in die Hauswand eingelassen.

„Ich bin mit Leib und Seele Wittenerin und interessiere mich für alles, was meine Stadt betrifft.“ sagt Teilnehmerin Martina Dömez am Ende und ist begeistert. Ihr Mann Nuh bestätigt: „ Wenn man in einer Stadt wohnt, muss man auch wissen, was hin der Vergangenheit passiert ist.“

Marktfrau Trine, oder besser Stadtführerin Renate Demant, will die Hexenrundgänge in Zukunft jedes Jahr einmal zusammen mit dem Stadtmarketing anbieten. Wer nicht so lange warten will, kann sie jederzeit auch für eine private Gruppe buchen.