witten. . Mit ihren so klugen wie amüsanten Liedern hat Fee Badenius schon zahlreiche Preise abgeräumt. Ein Interview über Musikerleben und Lehrerberuf.

  • Mit ihren so klugen wie amüsanten Liedern hat Fee Badenius schon zahlreiche Preise abgeräumt
  • Im Interview spricht sie über „die alte Dame Witten“, das Tourleben und ihren Lehrerberuf
  • Sie freut sich, dass die deutsche Sprache wieder mehr Bedeutung in der Kunst hat

Die Wittener Liedermacherin Fee Badenius (31) hat bundesweit zahlreiche Kleinkunstpreise abgeräumt, ist aber auch in TV-Formaten wie „Nuhr ab 18“, „Nightwash“ oder „Ladies Night“ zu sehen. Eben erst ist sie beim renommierten Liedermacherfestival im bayerischen Kloster Banz mit dem Nachwuchsförderpreis der Hanns-Seidel-Stiftung ausgezeichnet worden. WAZ-Redakteur Michael Vaupel sprach mit Fee Badenius.

Wie sind Sie nach Witten gekommen?

Ich bin 2006 direkt nach dem Abitur von Lübeck nach Witten gezogen, um hier am Institut für Waldorfpädagogik die Ausbildung zur Klassenlehrerin zu machen. Ich war schon für das Aufnahmegespräch dort und habe mich direkt wohl gefühlt, dennoch war es eine eher spontane Entscheidung.

Was mögen Sie an der Stadt? Was an den Ruhris generell?

In den elf Jahren, die ich nun in Witten lebe, hat sich viel verändert. Was mir anfangs noch fehlte – Innenstadtleben, Kultur, Cafés etc. ist im Laufe der Zeit entstanden und kultiviert worden. Die vielen schönen alternativen Initiativen, wie zum Beispiel im Wiesenviertel, geben der alten Dame Witten einen offenen Charakter und verleihen ihr einen neuen Anstrich. Ich mag es besonders, dass in Witten Menschen aus vielen verschiedenen Welten, Studenten der hiesigen Uni, viele Waldis, Künstler und (R)u(h)rgesteine in entspannter Gemeinschaft zusammenleben. Jeder ist dem anderen gegenüber auf Augenhöhe, offen, herzlich, man wird so akzeptiert, wie man ist, und ohne Vorbehalte aufgenommen.

Was unterscheidet Sie von den Menschen im hohen Norden, wo Sie herkommen?

Ich bin seit meiner frühen Kindheit schon sehr viel umgezogen, von daher hat mich kein Landstrich so richtig geprägt. Das zurückhaltende Hanseatische mit dem abwartenden, beobachtenden Blick habe ich zum Beispiel nicht übernommen, wohl aber den trockenen Humor und die genaue Beobachtungsgabe. Dass ich die Dinge aber dann auch ausspreche, das ist für ein Nordlicht eher ungewöhnlich.

Was unterrichten Sie an der Waldorfschule?

Ich bin seit 2010 Klassenlehrerin an der Blote Vogel Schule, eine freie Schule nach der Pädagogik Rudolf Steiners. Ich war selbst auch 13 Jahre auf der Freien Waldorfschule in Lübeck und wurde insbesondere von meinem Klassenlehrer sehr geprägt. Er hat es immer verstanden, mit einer sehr feinen und dennoch mitreißenden Art, uns Schülern die Welt näherzubringen und Interesse für die Zusammenhänge zu entwickeln. Das versuche ich natürlich auch für meine Schüler. Ich unterrichte als Klassenlehrerin fast alle deutschsprachigen Hauptfächer wie Deutsch, Mathematik, Geografie und entdecke in der Auseinandersetzung mit den Themen immer wieder neue, faszinierende Elemente. Wenn man es schafft, sich als Lehrerin selbst immer wieder zu öffnen und von den Dingen begeistern zu lassen, kann man auch die Schülerinnen und Schüler mitreißen.


Welches Menschenbild fördern Sie dort und wie fließt es in Ihre Lieder ein?

Eine Grundlage der Waldorfpädagogik ist für mich, dass die Heranwachsenden lernen, ihre Position in der Welt zu finden und auch ihre Verantwortung für die Welt und ihre Wesen wahrzunehmen. Dabei geht es von der kleinsten Achtsamkeit gegenüber der Natur bis hin zur Rolle, die man in einer globalen Gesellschaft einnimmt. Ich möchte meine Schülerinnen und Schüler dazu bringen, dass sie das Leben lieben und die Schönheit der Welt erkennen können, aber auch, dass sie ihre eigene Wirksamkeit wahrnehmen und verantwortungsvoll ergreifen. Ich lasse derartige Themen nicht direkt in die Lieder einfließen, stelle mir aber selbst auch immer wieder diese Fragen und versuche, meine Position in sowie meine Liebe zur Welt deutlich zu machen.

Wie schaffen Sie es, Schule und Tourleben als Musikerin unter einen Hut zu bringen?

Natürlich zieht so eine zweifache Arbeit durchaus Kräfte. Ich glaube, ich halte das nur aus, weil ich beides aus ganzem Herzen und voller Leidenschaft mache. Ich wollte nie eins von beidem zugunsten des anderen lassen. Dennoch muss ich meine Kräfte gut einteilen und auch immer wieder mal bewusst Pause machen. Aber ich glaube, ich bin auch ganz robust. Momentan heißt es also, von Montag bis Freitag Klassenlehrerin und Freitag bis Sonntag Musikerin.

Woher kommen die Ideen zu Ihren Liedern?

Auch wenn es abgedroschen klingt: Die Ideen kommen zu mir. Vermutlich, weil ich die Welt und die Menschen, die skurrilen Dinge sehr aufmerksam betrachte. Ich ziehe dann vielleicht Verknüpfungen, die nicht direkt auf der Hand liegen, so entwickeln sich dann im Hinterkopf Lieder. Das kann fünf Minuten oder fünf Monate dauern, ich kann das leider nicht bewusst heraufbeschwören und steuern.

Texten Sie gemeinsam mit Ihrem Ehemann, dem bekannten Kabarettisten und Schauspieler René Sydow, vielleicht auch für seine Programme?

Nein niemals, allerhöchstens assoziieren wir mal spontan zusammen über Wortspiele oder sowas, aber ansonsten kriegt es der jeweils andere erst zu sehen, wenn alles fertig ist.

Wie weit dürfen Liedtexte gehen? Ab wann wird Ironie beleidigend?

Liedtexte dürfen genau so weit gehen wie jeder andere satirische Text auch. Das heißt, man darf alles machen – muss man aber nicht. Ich persönlich finde es wichtig, dass die Texte nicht moralin und herablassend sind. Man sollte sich als Autor nicht über sein Publikum stellen, sondern auch seine eigenen Fehlbarkeiten wahrnehmen. Ich erlebe in vielen aktuell erfolgreichen Liedern eine Tendenz zur Anklage und zum Fingerzeig, das gefällt mir persönlich nicht, da ich es schwer finde, über gut und böse zu entscheiden, aus meiner subjektiven Position heraus. Dennoch ist es wichtig, Dinge auch an- und auszusprechen. Beleidigend ist etwas dann, wenn sich jemand beleidigt fühlt. Diese Hemmschwelle ist allerdings sehr individuell und von daher kann das schon mal vorkommen. Es muss ja nicht jeder den gleichen Humor haben.

Sind Sie tatsächlich so ein Fleischfan, wie es Ihr prominenter Song „Fleisch-ess-Lust“ vermuten lässt?

Wenn Sie das wirklich denken, haben Sie das Lied nicht sehr aufmerksam gehört. Ich mag zwar den Geschmack von Fleisch, lebe aber seit Jahren vegetarisch.

Haben Sie musikalische Vorbilder oder Liedermacher, deren Texte Sie besonders schätzen – auch hochkarätige Chanson-Dinos wie Reinhard Mey?

Ein Vorbild in dem Sinne, dass ich ein Nachbild sein möchte, habe ich nicht Wohl aber höre ich sehr gerne Liedermachermusik wie Reinhard Mey, Hermann van Veen, Bernd Begemann, Meike Koester oder Tom Liwa.

Und was halten Sie vom Trend zu deutschen Liedern und Sängern bzw. Bands wie Andreas Bourani, Clueso, Fanta 4 oder Judith Holofernes?

Seit ich selber schreibe, schaue ich immer hinter die Kulissen, wer die Lieder schreibt. Es bedeutet für mich einen großen Unterschied, ob jemand nur Interpret ist oder selbst hinter den Zeilen steckt. Ich freue mich, dass die deutsche Sprache wieder mehr in den Fokus der Kunst gerückt ist. Und ich finde, es gibt viele tolle Texte und Melodien. Manchmal würde ich mir aber auch etwas mehr Originalität, mehr Mühe wünschen.Die oben genannten Musiker finde ich aber alle überwiegend sehr berührend und inspirierend.

Auf welche Ihrer zahlreichen Auszeichnungen sind Sie besonders stolz und warum?

Stolz? Keine Ahnung. Ich freue mich über alle Auszeichnungen, weil sie mich immer wieder motivieren und in krisenhaften Momenten die nötige Bestätigung geben, dass es auch jemand hören will. Besondere Freude machen mir da die Preise, die explizit für Liedermacher bzw. Texter ausgeschrieben sind, wie zum Beispiel der Liedermacherpreis aus Banz. Da steckt eine Fachjury dahinter, die seit Jahren Liedermachermusik hört und viele Vergleichsmöglichkeiten hat. Aber letzten Endes ist es das Publikum, das einen auszeichnet und dann vielleicht doch ein bisschen stolz macht.