Witten.. Laut einer Studie liegt die Stadt im Gebührenranking auf Platz acht. Kämmerer nennt Technik, Einwohnerdichte und Not-Haushalt als Gründe.
Wer nach dem Baden den Stöpsel zieht oder die Klospülung betätigt, muss in Witten so tief in die Tasche greifen wie in kaum einer anderen größeren Stadt Deutschlands. Das ist das Ergebnis einer Studie, die das Kölner Institut der deutschen Wirtschaft im Auftrag des Eigentümerverbandes „Haus und Grund“ durchgeführt hat.
Danach muss ein Vier-Personen-Haushalt in Witten pro Jahr durchschnittlich 711,78 Euro Abwassergebühren zahlen. Im Ranking der insgesamt 100 untersuchten Städte bedeutet das Platz acht. Nach Angaben von Stadtkämmerer Matthias Kleinschmidt ist diese Zahl aber mit Vorsicht zu genießen. „Es gibt Studien mit Rankings wie Sand am Meer. Mal liegt Witten im Mittelfeld, mal weiter vorne.“ Dennoch streitet er nicht ab, dass die Abwassergebühren in Witten vergleichsweise hoch sind. „Eine Ursache liegt in der Technik. Da Witten zum Teil hügelig ist, müssen wir an manchen Stellen pumpen“, sagt der Kämmerer. „Zudem gibt es relativ viele ländliche Gebiete.“ Mit einem Kilometer Kanal erreiche man in Witten im Schnitt weniger Menschen als in anderen Städten, etwa Herne. „Die Kosten verteilen sich auf weniger Personen.“
Eine Ursache liegt im Haushalt
Ein weiterer Grund für die hohen Gebühren sei der Stärkungspakt NRW. Danach erhält Witten Konsolidierungshilfen vom Land, muss aber im Gegenzug einen klaren Sanierungskurs einschlagen. Kleinschmidt: „Bei der Kalkulation der Gebühren müssen wir auf das Maximale gehen, was möglich ist.“ Vier Millionen Euro könne die Stadt so jedes Jahr erzielen. „Wir könnten sogar noch höher gehen, das tun wir aber nicht.“
Insgesamt macht die Stadt jedes Jahr etwa 24 Millionen Euro Umsatz mit den Abwassergebühren, wie Harald Lambrecht von der Entwässerung Stadt Witten (ESW) sagt. „Davon gehen neun bis zehn Millionen Euro für die Klärung des Abwassers an Emschergenossenschaft und Ruhrverband. Das können wir gar nicht beeinflussen.“
Und wie sieht es mit den anderen Gebühren in Witten aus? Führt die Stadt auch hier die Rankings an? „Witten hat einen der höchsten Grundsteuersätze, darüber müssen wir nicht reden“, sagt Kämmerer Matthias Kleinschmidt. „Aber beim Müll gehören wir zu den günstigsten Städten.“
Eigentümerverband fordert einheitliche Kosten
Abwasser ist in Witten vergleichsweise teuer – das zeigt die Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft im Auftrag des Eigentümerverbands Haus und Grund. Höhere Gebühren zahlen in Nordrhein-Westfalen demnach nur die Einwohner von Moers, Krefeld, Wuppertal und Mönchengladbach. Angeführt wird das Gebührenranking von Potsdam. Ein Vier-Personen-Haushalt zahlt hier im Schnitt 911,23 Euro pro Jahr. Dass Witten bundesweit zu den Top Ten gehört, ist laut Kämmerer Matthias Kleinschmidt auch der Grundgesamtheit geschuldet. Die Forscher haben nach eigenen Angaben die 100 größten Städte Deutschlands untersucht. „Wir sind nach der Einwohnerzahl gegangen“, sagt Gordon Gross von Haus und Grund.
Für Matthias Kleinschmidt dennoch eine „willkürliche Auswahl“, wie er selbst sagt. „Das ärgert mich schon.“ Der Bund der Steuerzahler habe auch eine Studie zu den Abwassergebühren veröffentlicht. „Darin liegt Witten im oberen Mittelfeld.“ Auch bei Harald Lambrecht von der Entwässerung Stadt Witten (ESW) hat die Untersuchung „ein paar Fragezeichen aufgeworfen“. „Witten ist nicht homogen, das macht es schwierig, Vergleichskriterien anzusetzen.“ Neben Einfamilien- gebe es etwa auch viele Mehrfamilienhäuser und Industriebetriebe. „Witten besteht nicht nur aus den untersuchten Musterhaushalten.“
Grundlage der Studie ist eine Musterfamilie
Für das Ranking haben die Forscher die jährlichen Abwassergebühren einer vierköpfigen Musterfamilie in einem Musterhaushalt untersucht. „Diese Musterfamilie haben wir mit ihrem Musterhaus in jede der 100 ausgewählten Städte gesetzt“, sagt Gordon Gross von Haus und Grund. „Diese Familie gibt es so natürlich nicht. Wir wollten nur zeigen, wie es aussähe, wenn es sie gäbe. Es ging um den Vergleich: Zahle ich als Verbraucher viel oder wenig?“ Eine städtische Gebührensatzung bestehe im Schnitt aus 30 bis 50 Seiten. „Für die Bürger ist es schwer, dort durchzusteigen. Wenn sie das dann noch mit anderen Städten vergleichen wollen, haben sie überhaupt keine Chance“, sagt Gross.
Mit der Studie wolle der Eigentümerverband den politischen Druck auf die Verwaltung erhöhen: „Wir wollten zeigen: ,Diese Stadt ist teuer, geht ran und ändert was.’“ Schließlich hätten die Bürger selbst keine Chance, an den Gebühren zu schrauben. „Ich kann nicht einfach den Anbieter wechseln, wie zum Beispiel beim Strom. Auch ein geringerer Verbrauch ändert an den Kosten nichts.“ Durch die Untersuchung seien die Städte im Zugzwang, hohe Gebühren zu erklären und gegebenenfalls anzupassen.