Witten. . Stockum ist nicht nur eine Insel der Glückseligen. Die Bürger ärgern sich auch: über Schlaglöcher, dunkle Ecken und duschende LKW-Fahrer.

  • Stadtteilforum Stockum lockte viele interessierte Bürger in die Aula der Harkortschule
  • Dort erklärten sie den Experten von der Stadt, was ihnen gefällt und was sie vermissen
  • Mehrere Bauvorhaben im Dorf sollen noch 2017 an den Start gehen, z.B. ein Altenpflegeheim

Diese Begrüßung ist durchaus positiv zu werten: „Wir alle werden älter. Die Stockumer ganz besonders“, sagt Bürgermeisterin Sonja Leidemann zu Beginn des Stadtteilforums in der Harkortschule. Der Blick in die gute gefüllte Aula zeigt: Das Durchschnittsalter liegt um die 60. Dass die Menschen es im Dorf auch gern noch länger aushalten, könnte der Nähe zur Natur geschuldet sein. Die Stockumer wissen ihre Insellage zu schätzen. Doch sie üben auch Kritik. Und das nicht zu knapp.

Viele Stockumer interessierten sich dafür, was es Neues in ihrem Stadtteil gibt.
Viele Stockumer interessierten sich dafür, was es Neues in ihrem Stadtteil gibt. © Manfred Sander

Vier Thementische bieten die Experten der Stadt an diesem Abend an. Wer will, kann an jedem eine Viertelstunde verweilen. Die Ergebnisse der Diskussionen werden in Stichworten notiert und an eine Stellwand gepinnt. Beim Thema Verkehr ist die Wand vor lauter rosa Zetteln kaum zu sehen. Sie benennen die Schwächen des Stadtteils in diesem Bereich. Die vielen Schlaglöcher auf der Stockumer Straße. Die problematische Situation beim Abbiegen vom Edeka-Parkplatz auf die Pferdebachstraße. Haltestellen, die nicht barrierefrei sind. Autos, die auf dem Gehweg der Hörder Straße parken, obwohl es dort Parkplätze gibt. Die Fußwegsituation rund um den Helfkamp. Verkehrsplaner Andreas Müller muss sich vieles anhören, das die Bürger stört. Und will sich, wie seine Kollegen, kümmern.

Ein Kinderarzt fehlt – und ein Drogeriemarkt

Zwar sind die Stockumer weitgehend mit der Infrastruktur zufrieden, können fast alles im Dorf einkaufen und essen gehen. Doch es gibt einiges, dass sie vermissen. Immer wieder steht da ein Drogeriemarkt an erster Stelle. Auch ein Kinderarzt fehlt. Und eine Frau macht besorgt auf den drohenden Generationenwechsel in den beiden Hausarztpraxen aufmerksam.

Bürgermeisterin Sonja Leidemann begrüßte die Besucher. Mit dabei: Sozialdezernent Frank Schweppe (li.) und Stadtbaurat Stefan Rommelfanger.
Bürgermeisterin Sonja Leidemann begrüßte die Besucher. Mit dabei: Sozialdezernent Frank Schweppe (li.) und Stadtbaurat Stefan Rommelfanger. © Manfred Sander

„Was wird denn überhaupt für Rentner gemacht?“, meldet sich ein Senior zu Wort. Es gebe Treffs in beiden Kirchengemeinden, so der Hinweis einer Bürgerin. Und Peter Ludwig, Vorsitzender des TuS Stockum, macht auf die neuen Reha-Kurse mit Schwerpunkt Orthopädie aufmerksam, die der Verein ab September anbietet.

Doch Ludwig hat auch etwas auf dem Herzen. Er fordert eine Schranke am Parkplatz der Bezirkssportanlage. Der Platz sei wegen der günstigen Lage zu den Autobahnen inzwischen ein Geheimtipp für LKW-Fahrer in NRW, die dort nicht nur nächtigen, sondern auch in der tagsüber öffentlich zugänglichen Anlage duschen. Die Bürgermeisterin weiß Bescheid: „Da sind wir dran.“

Diskussion am Thementisch.
Diskussion am Thementisch. © Manfred Sander

Bessere Busverbindungen in Richtung Bochum und Dortmund, ein öffentlicher Platz im Ortskern, eine Tagespflegeeinrichtung und ein paar Lampen in dunklen Ecken – das sind weitere Wünsche der Stockumer. „Uns fehlt ein Dorfsheriff wie früher“, sagt einer, als die Sprache auf die Holzhütte neben dem Bolzplatz kommt, die schon „rein optisch abschreckend“ wirke, wie eine Frau beschreibt. „Die war ein Schuss in den Ofen. Die Jugendlichen besaufen sich und hinterlassen Glasscherben“, sagt ein anderer. Sozialdezernent Frank Schweppe verweist darauf, dass es sich um eigenen Stockumer Nachwuchs handele und rät zu Gesprächen mit den betroffenen Familien.

Bei so viel Kritik tut ein wenig Lob ganz gut: „Die OGS an der Harkortschule ist großartig“, sagt eine Mutter. Und der Spielplatz an der Mittelstraße sei sehr gelungen.

>> NEUES AUS STOCKUM

In Stockum leben 6259 Menschen, also etwa sechs Prozent der Wittener Bevölkerung. Damit ist das nördlich gelegene Dorf ein eher kleiner Stadtteil. Doch auf der Fläche, die acht Prozent der Ruhrstadt ausmacht, tut sich einiges.

„Wir stehen bei vielen Projekten kurz vor der Umsetzung“, erklärt Arne Merres vom Planungsamt den Gästen beim Stadtteilforum. So sollen am Stockumer Friedhof 32 barrierefreie Wohneinheiten sowie Praxisräume entstehen. Einem Wunsch der Bürger aus den letzten Jahren werden die Planer mit dem Bau eines Altenpflegeheims Rechnung tragen. Es entsteht unter privater Trägerschaft am Helfkamp und wird 80 Plätze bieten. Wer Interesse hat: Anfang 2019 könnte es bezugsfertig sein, schätzt Barbara Bokel vom Planungsamt. Nördlich davon gibt’s auch was für kleine Kinder – einen neuen Spielplatz.

Die Entwässerung Stadt Witten (ESW) will ab diesem Sommer auch das neue Regenwasserrückhaltebecken in Stockum errichten. Es bildet das Herzstück des neuen Abwasserkonzeptes für Stockum-West, fasst 3000 Kubikmeter und soll die Flutwelle abfangen, die bislang bei Starkregen von den Feldern in Kellerräume läuft und Straßen überschwemmt.

Neue Gewerbefläche und eine Ladesäule

Lang ersehnt von den Bürgern, so Merres weiter, sei die Sanierung der Straße Bebbelsdorf, die in einem beklagenswerten Zustand sei. Auf 850 Metern Länge – von der A44 bis zur Hörder Straße – soll die Situation sich verbessern. Allerdings gestalte sich die Planung wegen der großen Gewerbeanlieger, die eigene Wünsche einbringen wollen, schwierig. Dafür bekommt Stockum eine neue, 6500 m² große Gewerbefläche an der Liegnitzer Straße/Bebbelsdorf. Es gebe bereits Interessenten.

Noch eine gute Nachricht zum Schluss. Die hatte Stadtbaurat Stefan Rommelfanger just an diesem Abend vom ebenfalls anwesenden AHE-Geschäftsführer Johannes Einig erfahren: Der Entsorger im Bebbelsdorf wird demnächst eine Ladesäule für E-Bikes und Elektrofahrzeuge installieren.