Witten. . In einem Haus für Obdachlose am Mühlengraben hat ein Einkaufswagen mit Kleidung gebrannt. Die Feuerwehr war mit 32 Einsatzkräften vor Ort.
- Brennender Einkaufswagen im Flur einer Notunterkunft für Wohnungslose löst Großeinsatz der Feuerwehr aus
- Vier Bewohner kommen wegen des Verdachts auf Rauchvergiftung ins Krankenhaus, einer verbleibt stationär
- Anwohner berichten von zunehmenden Vorkommissen dieser Art am Mühlengraben
Weil ein Einkaufswagen mit Kleidung im Eingang einer Obdachlosenunterkunft brannte, ist die Feuerwehr am Mittwochabend gegen 21.45 Uhr zum Mühlengraben ausgerückt. 32 Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr und der Löscheinheiten Altstadt und Herbede waren vor Ort, ebenso Mitarbeiter der Stadtwerke. Als sie eintrafen, hatten sich die Bewohner bereits selbst aus dem Gebäude gerettet. Vier von ihnen wurden ins Krankenhaus gebracht, um eine Rauchgasvergiftung auszuschließen. Einer musste vorsorglich in der Klinik verbleiben. Das Gebäude blieb unbeschädigt.
„Der Rauch hat sich über das Treppenhaus bis in den Dachstuhl ausgebreitet“, sagt ein Sprecher der Wittener Feuerwehr. Die Beamten löschten die brennende Kleidung vor dem Gebäude. Anschließend kontrollierten sie die Räume und befreiten sie mit einem Hochleistungslüfter von dem Rauch. Gegen 23 Uhr konnten die Bewohner in ihre Wohnungen zurückkehren. Wie der Brand entstanden ist, konnte Polizeisprecher Volker Schütte gestern nicht sagen. „Bisher gibt es keine Hinweise auf vorsätzliche Brandstiftung“. Die Ermittlungen dauerten an. „Möglich ist, dass ein Bewohner das Feuer fahrlässig verursacht hat, zum Beispiel durch eine Zigarette.“
Gebäude sind derzeit voll belegt
Bis vor einigen Monaten lebten nur zwischen sechs bis sieben Personen in der Unterkunft, wie Anwohnerin Vanessa Kemper sagt. „Und die waren auch fest hier, das war okay.“
Aktuell sind die beiden Gebäude mit mehr als 15 Personen,vor allem Männern, voll belegt. Sie teilen sich Sanitäranlagen und zum Teil auch ein Zimmer.
Anwohnerin berichtet von schlimmen Zuständen
Vanessa Kemper wohnt auf der gegenüberliegenden Straßenseite und hat das Geschehen am Mittwochabend beobachtet. „Hier war zwei Stunden alles gesperrt, die Straße war nicht befahrbar“, sagt die 48-Jährige. Sei 11 Jahren wohnt Kemper am Mühlengraben und betreibt hier mit ihrem Mann ein Sanitär- und Heizungsunternehmen. „In den vergangenen Wochen ist hier fast jeden Abend etwas los gewesen: Prügeleien, Krankenwagen, zertrümmerte Fensterscheiben.“ Immer öfter werde sie von ihren Kunden auf die Situation am Mühlengraben angesprochen. „Mir ist bewusst, dass der Stadt gewissermaßen die Hände gebunden sind, aber es kann doch nicht sein, dass psychisch Kranke, Alkohol- und Drogenabhängige in dem Haus machen können, was sie wollen.“ Jeder habe eine zweite Chance verdient – „aber nicht die zehnte“, sagt Kemper. Das Problem liegt für die 48-Jährige vor allem in der Gesetzgebung: „Helfen ist schön und gut, aber es funktioniert nur, wenn beide Seiten mitmachen.“
Stefanie Neto Mendonca („Steffi hilft“) sieht das ähnlich. Die Ehrenamtlich engagiert sich seit eineinhalb Jahren für die Wohnungslosen am Mühlengraben und wurde durch einen Bewohner per Chat von dem Brand informiert. „Er meint, das Feuer sei ein Anschlag auf ihn gewesen. Alle haben einen Verdacht, aber keiner sagt was.
Ehrenamtlich ist enttäuscht
Die Zustände in der Notunterkunft für Wohnungslose am Mühlengraben scheinen sich zunehmend zu verschlechtern. Für Stefanie Neto Mendonca von der Aktion „Steffi hilft“ ist der Brand am Mittwochabend ein Rückschlag, wie sie selbst sagt. „Solche Ereignisse schädigen unsere Arbeit.“ Bereits seit einigen Wochen fährt die 43-Jährige ihr Engagement vor Ort zurück. „Ich kämpfe für diese Menschen, aber im Moment scheint die Situation zu eskalieren.“ Die frisch gestrichenen Wände etwa seien nach dem Feuer wieder vollkommen verschmutzt. „Das ist enttäuschend und verletzend.“
Stefanie Neto Mendonca glaubt, dass das Problem unter anderem in der Belegung liegt. „Momentan ist das Gebäude voll belegt: mehr als 15 Personen, vor allem Männer, leben hier auf engstem Raum zusammen und keiner kann mit dem anderen.“ Viele hätten Probleme mit Alkohol und Drogen und würden nicht nur die Nächte am Mühlengraben verbringen. „Das ist eigentlich gar nicht so vorgesehen – das ist nur eine Notunterkunft.“ Natürlich gebe es auch Ausnahmen: Einige suchten tagsüber einen Job oder würden bereits arbeiten. „Aber wer gibt so jemandem eine Wohnung?“
Ein Teufelskreis, für den es auf den ersten Blick keine Lösung zu geben scheint. „Zum einen müssen sich die Bewohner natürlich selbst engagieren. Sie sitzen alle in einem Boot und müssen zusammenhalten.“ Zudem sollten sie für Schäden, die sie selbst verursachen, auch selbst aufkommen. „Es kann nicht sein, dass das der Steuerzahler bezahlen soll“, sagt Neto Mendonca. Ob die Stadt etwas tun könnte? „Eine Möglichkeit wäre, Streetworker zu beschäftigen, die sich mit diesem Klientel auskennen. Außerdem würde ich mir wünschen, dass der ganze Bau saniert wird oder die Bewohner woanders untergebracht werden.“