Witten. Nun ja, ein Boulevard unter den Linden ist es noch nicht, aber sicher ein Anfang. Erstmals kann man am Hauptbahnhof draußen Kaffee trinken.

  • Bäckerei eröffnet neue Gastronomie mit über 30 Plätzen drinnen und fünf Außentischen
  • Investor freut sich, dass Umbau nun endlich auch für Bevölkerung deutlich sichtbar wird
  • Sanierung des Tunnels und der Halle sollen ab Juli folgen. Gespräche mit weiterem Ankermieter

Nun ja, ein Boulevard unter den Linden ist es noch nicht, aber sicher ein Anfang. Erstmals kann man am Bahnhof nicht nur drinnen, sondern auch draußen Kaffee trinken.

Seit vielen Monaten schrauben und hämmern Handwerker im und am Gebäude. Jetzt beginnt langsam die Erntezeit. Bäcker Büsch zog von rechts nach links – herauskommen ist eine ansehnliche Gastronomie mit Tischen und Stühlen drinnen und draußen. Ein kleiner Hauch von Straßencafé-Atmosphäre vorm Hbf – das hat es viele Jahre nicht gegeben, wenn überhaupt schon mal.

„Endlich ist mal was wahrnehmbar“, freut sich Investor Markus Bürger (43), der die heruntergekommene Halle und den Fußgängertunnel zu den Gleisen für drei Millionen Euro auf Vordermann bringt. Der denkmalgeschützte Umbau des 1901 eröffneten Hauptbahnhofs ist zwar kein Jahrhundertwerk, aber doch ein Langzeitprojekt. Um so begeisterter sind auch Kunden und Fahrgäste, dass nun endlich etwas Handfestes zu sehen ist.

Kunden sind begeistert

„Ganz toll. Der Bahnhof erstrahlt“, sagt Marga Bialke (77), als sie am Donnerstag die Bäckerei betritt. Seit 60 Jahren hat sie Höhen und Tiefen miterlebt, in den vergangenen Jahren wohl eher Tiefen. Und noch ist ja auch längst nicht alles schön. „Ich wünsche mir, dass jetzt auch der Bahnhof gemacht wird“, sagt Bäckerei-Filialleiterin Julia Gehre (29). Nun, es wird ja. Nach der Neueröffnung von Presse-Shop und nun dem Bäcker folgen ab Juli Sanierung von Tunnel und Halle. „Im September soll die Lok kommen“, sagt der Investor. „Friedrich“ bekommt einen Platz in der Halle.

Gefragt nach der Eröffnungsfeier, mag sich Bürger noch nicht festlegen. Für die komplette rechte Seite, wo Büsch bislang Brötchen verkaufte und nebenan noch die Radstation der Wabe residiert, habe er einen „sehr interessanten Mieter. Wenn der will, sind wir Ende des Jahres fertig“. Das ist die optimistische Sichtweise. Noch ist aber nichts in trocknen Tüchern, weshalb der Investor nicht mal die Branche des weiteren möglichen „Ankermieters“ nennen mag. Es gibt auch noch freie Büroräume im ersten Stock und über der Verbraucherberatung.

Unmut kam zwischenzeitlich in der angrenzenden City auf. Nach dem Gerangel um den verkaufsoffenen Sonntag am 28. Mai, den Verdi per Klage kassieren wollte, melden sich verärgerte Kaufleute zu Wort. Denn obwohl der Shopping-Sonntag gerichtlich durchgesetzt wurde, kamen sie nicht zum Zuge, sprich, durften nicht öffnen. „Entweder alle oder keiner“, sagt Optiker Jochen Orthbandt. „Es geht um Chancengleichheit.“

Unmut bei Händlern über verkaufsoffenen Sonntag

Sein Brillengeschäft an der Beethovenstraße/Ecke Bahnhofstraße musste geschlossen bleiben, während all die anderen Ländern wenige Häuser weiter auf der Haupteinkaufsmeile Bahnhofstraße öffnen durften. Diesen Umstand bedauert auch Standortgemeinschaftsvorsitzender Karl-Dieter Hoeper. Doch man sei gezwungen gewesen, die Gesamtverkaufsfläche um zirka 5000 m² auf 30 000 m² zu verkleinern. Davon betroffen waren Straßen wie Beethoven-, Johannis-, Stein- und Hauptstraße. Hoeper fiel mit seinem Schuhgeschäft in der Johannisstraße ebenfalls darunter.

„Das Verrückte ist: Ich wäre der Einzige gewesen, der geöffnet hätte. Als Verkaufsfläche wird aber die ganze Straße gerechnet“, sagt der Händler. Laut Gesetz muss die gesamte Shopping-Fläche in der Stadt kleiner ausfallen als die Veranstaltung, die den offenen Sonntag überhaupt erst rechtfertigt, in diesem Fall war es die Himmelfahrtskirmes.