Witten. . In Wittens Kreativquartier spielt sich das Leben nicht hinter verschlossenen Türen ab. Die ganze Nachbarschaft sorgt für gemeinsame Beete.
Morgens halb zehn im Wiesenviertel. Studenten mit Schreibzeug und Laptop unterm Arm schlendern in Richtung der Cafés, um dort beim ersten Kaffee des Tages mit dem Lernen zu starten. Rentner führen ihre Hunde spazieren und treffen sich auf den Bänken zum Plausch.
Herzstück des Viertels ist der Springbrunnen auf dem Platz, wo sich Wiesen- und Casinostraße kreuzen. Unter dem Schatten der Bäume turnt ein kleiner Junge zwischen den Bänken umher. Fröhlich hält er seine kleinen Händchen in die Wasserfontäne- „Wir wohnen eigentlich in Annen, kommen aber oft zu Besuch ins Wiesenviertel”, sagt Mama Anna-Lena Weidemann. „Wir kaufen gerne in den alternativen Läden ein, zum Beispiel in Second-Hand-Geschäften oder im neuen Unverpackt-Laden.“
Den zweijährigen Sohnemann zieht es bei jedem Besuch zum Toben an den Springbrunnen. Seine Mutter genießt die entspannte Stimmung im Viertel. „Man trifft immer nette Leute zum Reden. Irgendwie herrscht hier so eine kreative Atmosphäre. Ich gehe immer besonders wachsam durch die Straßen, weil es oft was Neues zu entdecken gibt.”
Hochbeete verschönern Nachbarschaft
Nicht ganz neu, aber immer noch schön sind die blühenden Hochbeete rings um den Brunnen, die von der gesamten Nachbarschaft gepflegt werden. Für die grünen Stadt-Oasen hat auch die geschäftige Briefträgerin noch ein lobendes Wort: „Toll, dass sich die Anwohner hier so einbringen. Das macht das Viertel sehr sympathisch und lebendig.“
Alexander Brede gehört zu den jungen Köpfen, die das Kreativquartier mit entwickelt haben. Anders als so mancher Mitstreiter,der zum Studieren nach Witten kam, kommt der 31-Jährige aus der Ruhrstadt. Seit drei Jahren wohnt er im Wiesenviertel. Brede sitzt an einem der kleinen Tische vor dem „Raum“-Café in der Wiesenstraße. Er hat es 2014 mit zwei Freunden eröffnet. „Ich mag die Altersvielfalt des Viertels. Ins Café kommen Studenten zum Lernen, aber auch ältere Bewohner, die abends noch ein Glas hier trinken, bevor sie in ihre Wohnungen hochgehen.“
Buntes Leben auf der Straße
Ein paar Meter weiter geht Rose Berghoff mit Dackel Charlie Gassi. „Ich finde es goldig, wenn die Leute morgens und abends draußen sitzen können“, schwärmt die 75-Jährige. „Wenn ich abends mit Charlie spazieren gehe, brennen die Lichter auf dem kleinen Platz und es ist einfach gemütlich.“
Rose Berghoff wohnt seit 1964 in der Casinostraße und hat die Entwicklung des Viertels über Jahrzehnte miterlebt. „Früher hatten hier Polsterer und Färber ihre Geschäfte.“ Damals war das Gebiet rings um die Wiesenstraße noch kein kuschliges Szeneviertel. „Das kam eigentlich erst mit der Öffnung von Kneipen wie dem Klimbim oder viel später dem Knut’s.“
Auf der Straße grüßt man sich. Auch in vielen Häusern, wird gute Nachbarschaft großgeschrieben. „Neulich hab ich vor meiner Haustür unsere jungen Nachbarn von oben getroffen“, sagt Rose Berghoff. „Sie haben ganz lieb gefragt, ob sie mal den Charlie streicheln dürfen. Das Paar hat die Wohnung, in der ich früher gewohnt habe. Wir sind ins Plaudern gekommen und jetzt wollen die beiden zum Kaffee vorbeikommen.“ Die ältere Dame ist sich ganz sicher: „Ich ziehe hier nicht mehr weg!“