Witten. . Wenn Angehörige sich nicht um die Beerdigung kümmern, stehen Pfarrer oft allein am Grab. Die Stadt hat den Auftrag für nach Detmold vergeben.
- Den Auftrag für Urnenbeisetzungen ohne Angehörige, die sich darum kümmern, hat die Stadt Witten nach Detmold vergeben
- Seitdem stehen die Pfarrer oft allein am Grab, beklagen die Wittener Kirchen. Der Bestatter komme nicht mit, wie es früher üblich war
- Wegen fehlender Koordination erführen auch Freunde oder Bekannte zu spät von der Beisetzung, lautet ein weiterer Vorwurf
Die Kirchen in Witten beklagen den veränderten Umgang der Stadt mit „ordnungsbehördlichen“ Bestattungen. Die Kommunikation mit dem jetzt beauftragten Unternehmen aus Detmold sei mangelhaft, und bei den Urnenbeisetzungen auf dem Hauptfriedhof komme es zu „unwürdigen“ Szenen, lauten die Vorwürfe.
Anders als bei den Sozialbestattungen, bei denen Angehörigen schlichtweg das Geld fehlt und das Sozialamt beispringt, regelt das Ordnungsamt Beerdigungen, bei denen sich keine nach dem Gesetz „beerdigungspflichtigen“ Angehörigen darum kümmern. Entweder, weil sie nicht ermittelt werden können, oder weil sie sich einfach nicht kümmern – und bezahlen – wollen.
Früher kam ein Wittener Bestatter mit zum Grab
„Das heißt aber nicht, dass diese Menschen einsam waren, dass sie keine Freunde oder Bekannten gehabt haben“, sagt Julia Holtz, Superintendentin des Ev. Kirchenkreises. Diese gingen oft noch gerne mit zum Grab. Sofern Kirchenbezug bestand – und bisweilen auch ohne diesen – hätten Wittener Geistliche mit einem Gebet am Grab ein würdevolles Abschiednehmen ermöglicht. Wenigstens aber sei der Bestatter selbst oder einer seiner Angestellten „im dunklen Anzug“ hinzugekommen und habe die Urne ins kleine Rasengrab hinabgelassen. „Man hat als Pfarrerin nie alleine da gestanden.“
Bis November 2016 hatte sich der Wittener Bestatter Brotkorb um das Abholen und Einäschern der Toten gekümmert, davor Bohnet aus Heven, jeweils zur Zufriedenheit der Kirchen. Seitdem die Stadt einen ortsfremden Bestatter damit beauftragt hat, sammelt sich bei ihnen der Unmut.
Vorwurf: Gärtner hatte Urne schon beigesetzt
Vor allem fehle eine vernünftige Koordination: Die Termine zur Urnenbeisetzung würden nicht mehr mit den Pfarrern vereinbart, sondern festgesetzt. Weil der ortsfremde Bestatter das Umfeld nicht kenne und informiere und für weitere Absprachen auch nicht zuständig sei, stünden diese oft allein am Grab. Zweimal wurde eine Wittener Pfarrerin schon vor vollendete Tatsachen gestellt: Die Beisetzung habe schon „in aller Stille“ stattgefunden, erfuhr sie von Friedhofsmitarbeitern. Ein Gärtner hatte das erledigt. In beiden Fällen hatte es Menschen gegeben, die den Toten die letzte Ehre hatten erweisen wollen. Diese Gelegenheit blieb ihnen verwehrt.
Die Stadt Witten verteidigt die Vergabe des Auftrags nach Detmold. Sie räumt ein, dass es in der „Eingewöhnungszeit Probleme mit Terminabsprachen“ gegeben habe. Nach einem Gespräch mit dem Bestatter, um das Verfahren „zu optimieren“, müsste sich dieses aber inzwischen eingespielt haben. Die Beisetzung ohne Pfarrerin sei ein „bedauerliches Missverständnis“. Aufgrund des formalen Vermerks „keine Angehörigen“ sei die Friedhofsverwaltung davon ausgegangen, dass niemand an der Beisetzung habe teilnehmen wollen.
Kritik auch an fehlender Schmuck-Urne
Kritik der Wittener Kirchen an den Beerdigungen im Auftrag des Ordnungsamtes bezieht sich nicht nur auf die aus ihrer Sicht mangelhafte Koordination im Vorfeld. Die Kirchen stört seit der Übernahme des Auftrags durch ein Detmolder Bestattungsunternehmen auch der Ablauf auf dem Hauptfriedhof.
Die Urnen werden aus dem Krematorium in Bielefeld im Postpaket zum Wittener Hauptfriedhof geschickt. Statt eines Bestatters sei jetzt immer häufiger – wenn überhaupt – nur noch ein Friedhofsmitarbeiter „im Gärtnerlook“ anwesend, sagt Superintendentin Julia Holtz. Und anders als früher werde die Standard-Urne aus Metall ohne äußere Schmuck-Urne angeliefert. Letztere gebe es aber in einfacher Ausführung für weniger als zehn Euro. Abgesehen von der Optik führe das zu einem praktischen Problem: Weil diese Urne kein Band habe, könne man sie auch nicht mehr „feierlich“ ins Grab hinablassen. Meist stelle der Gärtner sie deshalb vorher ins Grab. Julia Holtz: „Letztlich wird hier auf Kosten der Menschenwürde gespart.“
Stadt verweist auf bundesweite Ausschreibung
Die Stadt Witten weist diese Vorwürfe zurück. Nach dem Auslaufen des Vertrags mit einem Wittener Bestatter habe man den Auftrag für die „ordnungsbehördlichen“ Beerdigungen neu ausgeschrieben. Naturgemäß könne man die Auftragshöhe nur schätzen. Bei 35 bis 40 solcher Beerdigungen im Jahr und geschätzten 35 000 Euro komme man auf hochgerechnet 105 000 Euro für drei Jahre. Bei dieser Summe sei die Stadt verpflichtet gewesen, bundesweit auszuschreiben. Lediglich zwei Unternehmen hätten daraufhin überhaupt gültige Angebote abgegeben. Das einzige Zuschlagskriterium sei der Preis gewesen. Deshalb sei die Stadt verpflichtet gewesen, dem Detmolder Unternehmen den Zuschlag zu geben. Dieses habe das wirtschaftlichste Angebot eingereicht.
Zusätzlicher Servie örtlicher Bestatter war „freiwillig“
Dass Wittener Bestatter früher selbst zur Beerdigung kamen, sei deren „freiwilliger Service“ gewesen, sagt Ulf Köhler vom Ordnungsamt. Das habe schon in den alten Verträgen nicht gestanden. Den neuen Anbieter könne man nicht dazu verpflichten. Laut Ausschreibung müsse dieser nur die Urne zur Verfügung stellen und den Termin mit der Friedhofsverwaltung und dem Pfarrer abstimmen. Im Gespräch mit dem Unternehmen habe die Stadt aber klargestellt, dass „man den Pfarrer nicht vor vollendete Tatsachen stellen, sondern sich vorher mit ihm koordinieren“ müsse, so Köhler.
Nach seinen Angaben leistet die Stadt Witten bei den ordnungsrechtlichen Beerdigungen sogar „mehr Service als einige andere Städte“. Rechtlich betrachtet könnte die Stadt diese Toten auch „komplett anonym“ beisetzen lassen. In mehreren Städten werde das so gehandhalbt. Dort würden die Urnen ohne jede Beteiligungsmöglichkeit in einem anonymen Sammelgrab auf dem Gelände des Krematoriums beigesetzt. Gegen diese Alternative habe sich die Stadt aus gutem Grund entschieden. Köhler: „Wir sind selbst daran interessiert, dass das pietätvoll über die Bühne geht.“
>> Städtische Beerdigungen in Zahlen
Auf den Stadt-Friedhöfen gibt es jährlich zwischen 500 bis 550 Beisetzungen. 2016 gab es 59 Sozialbestattungen, bei denen das Sozialamt half. Anonym waren 2016 17 Beerdigungen.
Zudem gibt es 35 bis 40 ordnungsrechtliche Beerdigungen. Hier kann kein Angehöriger belangt werden. Anonym sind diese nicht. Prinzipiell können Pfarrer oder Bekannte teilnehmen.