Witten. . Seitdem ein mediterraner Supermarkt eröffnet hat, erlebt die untere Bahnhofstraße einen nie gekannten Ansturm bei türkischstämmigen Kunden.
- Abgehängte City-Meile erlebt Boom türkischer und syrischer Geschäfte
- Stadt spricht mit Hauseigentümern über Strategien, etwa bei Vermietung
- Ein Kümmerer für die Innenstadt kommt frühestens in einem Jahr
Wer am Samstagmittag über die untere Bahnhofstraße bummelt, reibt sich verwundert die Augen. Dass diese Ecke der Fußgängerzone längst von Dönerbuden, türkischen Frisören, Reisebüros oder auch Leerständen geprägt wird, ist nicht neu. Dass nun aber laufend ein türkisches oder syrisches Lebensmittelgeschäft, ein Bäcker vom Bosporus oder ein weiterer Figaro aus Kleinasien die verwaisten Ladenzeilen ersetzen, verändert die von der oberen Bahnhofstraße abgehängte Meile einmal mehr.
Nur die Milch kommt erst um neun
Syrer verkaufen frisches Obst und Gemüse, türkische Konditoren neuerdings süßen Kuchen und der mediterrane Supermarkt zieht ohnehin alle Register. Dort gibt es nichts, was es nicht gibt, nur die Milch kommt erst um neun. Bei der Eröffnung herrschte kürzlich Ausnahmezustand. Plötzlich parkten wieder Autos in der unteren Bahnhofstraße, Frauen mit Kopftüchern rangelten um Einkaufswagen.
Bis heute erlebt der Laden einen Ansturm, gerade samstags, als gäbe es kein Morgen. Wenn Karl-Dieter Hoeper von der Standortgemeinschaft in einem früheren Gespräch keinen Bedarf mehr für weitere Einzelhandelsflächen sieht – daran dürfte er nicht gedacht haben.
Zehn Leerstände auf 200 Metern
Natürlich herrscht ein Kommen und Gehen. Der orientalische Imbiss, der gestern noch den scharfen Teller anbot, ist heute schon wieder verschwunden. Auf 200 Metern gibt es aktuell zehn Leerstände und vier Neueröffnungen. Fakt ist aber: Kaum einen deutschen Händler zieht es noch in diese vom Hauptkundenstrom der City abgeschnittene Ecke, sieht man einmal ab von Alteingesessenen wie der Apotheke, dem Optiker oder Neueröffnungen wie „Busenfreundin“ oder „Kartoffelecke“ ab, die sich nun schon länger im Breddeviertel behaupten.
Stadt und Politik ist es nie gelungen, die westliche Bahnhofstraße wieder attraktiv für die gesamte Stadtgesellschaft zu machen. Dass es hierbei vor allem auf die Hauseigentümer mit ankommt, ließ Stadtbaurat Stefan Stadtbaurat nicht unerwähnt, als er Anfang Februar ein Konzept zur City-Erneuerung vorstellte. „Ziel ist es immer, mit öffentlichen Mitteln private Akteure anzuregen. Die Stadt kann allein nichts bewegen“, sagte er damals mit Blick auf die ganze Innenstadt.
Ein fester Ansprechpartner solle die Kräfte bündeln, schlug die Koalition aus SPD und CDU in einem Antrag vor einem Jahr vor, um die untere Bahnhofstraße zu stärken. Nun, was ist daraus geworden? Die Multikulti-Meile scheint ihre eigenen Wege zu gehen. Die Hausbesitzer freuen sich über neue zahlende Mieter – und immerhin gelang es, Spielhallen und Wettbüros zu verdrängen. Die Hälfte beteiligte sich außerdem an einer Befragung der Stadt. Fazit: Der Handlungsbedarf ist groß. „Allerdings ist der Ruf oft schlechter als die jeweilige Lage der Immobilie“, fasste der Baurat gestern die Einschätzung vieler zusammen.