Witten. . Bis zur Spitze ist der Rathausturm bei der Sanierung eingerüstet. Für unsere Reportage wagten wir uns auf den Koloss. Und wurden belohnt.

  • Bis zur Spitze ist der Rathausturm bei der aktuellen Sanierung eingerüstet
  • Für unsere Reportage wagten wir uns auf den Koloss – und wurden belohnt
  • Die Turmsanierung kostet ungefähr 450 000 Euro

Aus der Ferne grüßt Dortmunds Fernsehturm Florian, in der anderen Richtung scheinen Baukräne auf dem Bochumer Uni-Gelände zum Greifen nah: Der Blick von der eingerüsteten Kuppel des 57 Meter hohen Turmes, der gerade bei der großen Komplettsanierung des Rathauses an der Reihe ist, ist wirklich atemberaubend. Die Kälte, wenn der Wind in dieser Höhe schneidend vorbei zischt, allerdings auch.

„Sind Sie schwindelfrei? Sonst würde ich abraten“, hatte Udo Klapp vom Gebäudemanagement entgegnet, als wir nach der Möglichkeit zur Turmbesteigung für eine Reportage anfragten. Er hatte nicht zuviel versprochen: Die letzten Etagen auf dem Gerüst nach Ausstieg aus dem Turm sind nicht von Pappe. Beim Blick in die Tiefe wirken Menschen, die über den Rathausplatz gehen oder an der Haltestelle stehen, ziemlich klein.

Die verschatteten Innenhöfe des verzweigten Gebäudes scheinen den Betrachter von hier oben aus geradezu anzusaugen. Puh, dreimal ruhig ein- und ausatmen, dann geht’s wieder. Und weiter auf der Leiter im Gerüst, bis wir schließlich ganz oben sind. Die markante Spitze wurde für die Dachsanierung abmontiert. Von unten erschien sie all die Jahre, in denen man wie selbstverständlich am Rathaus vorbeiging oder -fuhr, unbedeutend klein. „Ein Irrtum, sie ist stattliche 3,60 Meter hoch“, weiß der städtische Bauingenieur.

Blick von der Brüstung, die auch erneuert wird, auf den Kornmarkt und die Turmspitze der Johanniskirche.
Blick von der Brüstung, die auch erneuert wird, auf den Kornmarkt und die Turmspitze der Johanniskirche. © Barbara Zabka

Wie überhaupt alles an und in diesem riesigen Klotz groß und schwer wirkt. Der Raum etwa, in dem das mechanische Laufwerk für die vierseitige Turmuhr steht, ist so gewaltig, dass sich dort hinein mühelos ein Einfamilienhaus stellen ließe. Fast an der Decke hängt das mannshohe Gewicht für die Uhr. Unter ihm steht eine mit Sand gefüllte Kiste. „Zur Sicherheit, wenn es mal runterfallen würde. Sonst schlüge es nämlich durch die Decke“, erklärt Udo Klapp.

Um die Fassade abzustrahlen, auszubessern und anschließend zu streichen, wurden die Zifferblätter abmontiert. Die römischen Zahlen und die Zeiger liegen in dieser Zeit gut verwahrt in einem Lagerraum des Rathauses. „Hier, nehmen Sie mal“, sagt der Rüdinghauser und gibt mir eine Acht. Ganz schön schwer, das Biest – wie eben alles in diesem monströsen Gebäude aus jener Zeit, als Handarbeit noch groß geschrieben wurde.

Mit Gerüst und Sicherheitsnetz: der Rathausturm vom Rathausplatz aus.
Mit Gerüst und Sicherheitsnetz: der Rathausturm vom Rathausplatz aus. © Bastian Haumann

Dass der Rathausturm „King im Ring“ ist, also ihm kein anderes Gebäude in der Nähe das Wasser reichen kann, zeigt sich auch an einer anderen Begebenheit: „Um vor Sanierungsbeginn den Zustand der Kuppel abzuchecken, waren wir mit Fernglas auf dem Turm der nahen Johanniskirche. Aber der war auch zu niedrig“, berichtet der Bauingenieur. Deshalb wurde schließlich eine Drohne engagiert, die beim Umfliegen etwa 60 Bilder von der Kupferkuppel und der Skulpturenspitze schoss. Ein technischer Hinweis mehr, dass das altehrwürdige, aber schwer sanierungsbedürftige Rathaus endlich in der Gegenwart angekommen ist.

Die Sanierung der Rathausturms ist mit 450 000 Euro veranschlagt. Voraussichtlich Ende September sollen die Arbeiten abgeschlossen sein. „Dann ist der Südflügel dran“, nennt Udo Klapp vom Gebäudemanagement den nächsten Schritt.

Die in Platzrichtung zeigende Fassadenseite dieses Flügels ist schon saniert. Dezent leuchtet sie nun in Blassgelb, auch die Fensterlaibungen sind wieder im Urzustand von 1926. Ihr Zementputz mit weißgrauer Einstreuung setzt sie gegen das Gelb ab. Auch die Säulen oben am Turm sollen so herausgearbeitet werden. „Wir wollen dem Original wieder so nah wie möglich kommen“, betont der städtische Bauingenieur. Der mürbe Oberputz, der vom gesamten Gebäude abgezogen wird, „war in den 70er Jahren technisch und farblich der Knaller“, meint der Rüdinghauser zurückschauend. Sinnierend fügt er hinzu: „So ändern sich Trends, hat alles seine Zeit.“

Bauingenieur Udo Klapp mit Ziffern der großen Rathausuhr. Sie wurden während der Sanierungszeit des Turms abmontiert, werden aufgearbeitet und wieder angebracht.
Bauingenieur Udo Klapp mit Ziffern der großen Rathausuhr. Sie wurden während der Sanierungszeit des Turms abmontiert, werden aufgearbeitet und wieder angebracht. © Barbara Zabka / FUNKE Foto Services

Ab September wird also der Südflügel entkernt, werden die Büros in neuen Grundrissen zeitgemäß erneuert. Zudem erhält der Innenhof als verglastes Rathausforum ein neues Gesicht. Ab 2019 soll dann die Sanierung des Nordflügels folgen. Mit Abschluss des 25 Millionen Euro teuren Gesamtprojekts ist nicht vor 2021 zu rechnen.

Doch derzeit wird mit der Turmsanierung das weithin sichtbarste Zeichen für die Grunderneuerung des Verwaltungsklotzes mitten in Witten gesetzt. Allein mit 100 000 Euro schlagen die Spenglerarbeiten zu Buche. So erhält etwa die Kuppel eine neue Kupfereindeckung, die skulpturartige Spitze wird originalgetreu nachgebaut. Hinzu kommen Putzarbeiten, neue Holzfenster, hohe Statikkosten für die eigenwillige Gerüstkonstruktion eines solchen Turmes. All das läppert sich. . .