Witten. . Deutschland boomt und auch den Wittener Betrieben geht es gut. Trotzdem sieht der DGB viele Arbeitnehmer immer stärker vom Wohlstand abgekoppelt.
- Mehr Betriebsrenten auch in kleineren und mittleren Unternehmen gefordert
- Soziale Gerechtigkeit ist das große Motto der Maikundgebung auf dem Rathausplatz
- „Wir sind viele. Wir sind eins“ lautet das Motto. Gewerkschaften setzen auf Geschlossenheit
Die Wittener Gewerkschaften setzen zum 1. Mai – dem Tag der Arbeit – mehr denn je auf Geschlossenheit. „Wir sind viele. Wir sind eins“, lautet der bundesweite Kundgebungs-Slogan, denen sich unter anderem die IG Metall und auch die IG BCE in Witten anschließen.
„Wir lassen uns nicht zerfleddern“, sagt Stefan Marx (49), Geschäftsführer des DGB Ruhr-Mark. Dabei denken die Funktionäre an die Spaltung der Gesellschaft nicht nur in Zeiten des Rechtspopulismus, sondern auch mit Blick auf jene, denen es nicht so gut geht. Was Geschlossenheit angeht, hätten die Gewerkschaften in Witten aber keinen Nachholbedarf. „Wir sind untrennbar“, sagt DGB-Chef und IG-Metall-Bevollmächtigter Mathias Hillbrandt (40).
Es geht um soziale Gerechtigkeit
Die Reihen geschlossen, klar das Ziel: Es geht um soziale Gerechtigkeit. Froh sind sie, dass diese wieder ein Thema in der Politik sei. Da denkt man schnell an den SPD-Kanzlerkandidaten. Gibt der Wittener DGB eine Wahlempfehlung? Nein, das tue man nicht. Marx: „Die Kollegen sollen selbst beurteilen, wen sie wählen.“ Hauptsache, sie tun es. „Aber nicht die AfD und die FDP“, schiebt Hillbrandt hinterher: Da ist er wieder, der alte liberale Klassenfeind.
Der ehemalige Duisburger IG-Metall-Chef Jürgen Dzudzek (68) wird als Hauptredner der Mai-Kundgebung fordern, den Sinkflug der Rente zu stoppen – sonst drohe heutigen Arbeitnehmern Altersarmut. Es gebe Kollegen, denen es 35 Jahre mit Zulagen für Nacht- und Wechselschichten gut gegangen sei, die sich dann aber über ihre niedrigen Rente wunderten, sagt Henry Fox (55), Betriebsratschef bei Pilkington. „Es gibt nicht wenige, die gehen mit 1000 Euro oder weniger raus.“ Im Schnitt bekämen Arbeitnehmer 1000 bis 1500.
Niedrige Renten trotz guter Zulagen
Oft werde vergessen, dass Zulagen nicht nur steuerfrei, sondern auch nicht sozialversicherungspflichtig seien. Das bedeutet: keine Punkte in der Rentenkasse. Käme man zu zweit vielleicht noch zurecht, könne es gerade den Frauen später schlecht ergehen. „Wenn Vati stirbt, sitzt Mutti an der Tafel“, warnt DGB-Chef Hillbrandt. Gefordert werden u.a. mehr Betriebsrenten auch in kleineren und mittleren Betrieben, die Einbeziehung anderer Gruppen als Beitragszahler und ein Rentenniveaus von 50 Prozent.
Dzudzek wird auch eine Lanze für eine gerechtere Einkommensverteilung brechen. Obwohl Deutschland boome, verdienten 40 Prozent der Beschäftigten weniger als vor 20 Jahren. Gründe seien u.a. Teilzeit, Leiharbeit, zu viele Minijobs und Werkverträge.
Kampagne für kürzere Arbeitszeiten
Gleichzeitig soll es eine große Kampagne für kürzere Arbeitszeiten geben. Matthias Hillbrandt: „Wir wollen nicht blindlinks die Arbeitszeiten verkürzen, aber Wildwuchs einfangen.“ Viele Kollegen „saugten zwar den süßen Nektar der Mehrarbeit“ in Form von Zuschlägen, „denken aber nicht an ihre Gesundheit“. Und neue sozialversicherungspflichtige Jobs würden dabei auch nicht entstehen.
Genug Stoff also für eine Maikundgebung. Und das Thema Integration gibt es ja auch noch. Eigentlich ist es für den DGB gar keins. Geschäftsführer Stefan Marx: „Tarifverträge gelten schließlich für alle.“