Witten. . Die Politik warnt vor Unruhe durch Erdogan-Propaganda in „Letzte Bastion Türkei“. Der Ditib-Moscheeverein hat die Saalbau-Aufführung abgesagt.
- Wittener Politik warnt vor Unruhe durch Erdogan-Propaganda in dem Stück „Letzte Bastion Türkei“
- Ditib-Moscheeverein hat Aufführung am Samstag im Saalbau kurzfristig abgesagt
- Der geplante Gottesdienst soll an diesem Tag aber im Saalbau stattfinden
Ein Panzer mit Zivilisten darauf rollt durch die Nacht. „Wenn es um das Volk geht, ist der Rest Nebensache“ steht unter dem Postermotiv, das für „Letzte Bastion Türkei“ („Son Kale Türkiye“) in Landessprache wirbt. Das umstrittene, ultranationalistische Stück, eine Mischung aus Theater und Film, sollte am Samstag (25. 2.) auch im Saalbau aufgeführt werden. Und zwar im Rahmen einer Veranstaltung mit Gottesdienst, wozu der Wittener Ditib-Moscheeverein eingeladen hatte.
Auf erhebliche Kritik aus der Politik folgte nun der Rückzieher. „Wir zeigen das Stück doch nicht“, sagte Veysel Arslan, Vorsitzender der Wittener Moscheegemeinde, auf Nachfrage dieser Zeitung. Das habe der Vorstand gemeinsam entschieden. „Der Gottesdienst findet aber statt“, betont Arslan.
Weitere Aufführungen von „Letzte Bastion Türkei“ eines Istanbuler Ensembles sind aktuell auch in Köln und Dortmund geplant. Es geht um die Darstellung des gescheiterten Putschversuches Mitte Juli. Während im Trailer Erdogan-Propaganda betrieben wird, werden Anhänger des Predigers Gülen für den Putsch verantwortlich gemacht. Internet-Werbeausschnitte zeigen auch eine Szene, aus der zu schließen ist, Israel habe den Islamischen Staat (IS) gegründet, um die Türkei zu schwächen.
Nowack und König haben vor Aufführung gewarnt
Mit Plakaten in türkischen Supermärkten in Witten und in der Moschee in der Wideystraße sei für die Aufführung von „Letzte Bastion Türkei“ geworben worden, sagen CDU-Landtagskandidat Simon Nowack und sein Parteikollege Lars König, stellvertretender Bürgermeister und CDU-Vertreter im Integrationsrat. „Wir haben einige tausend türkischstämmige Bürger, die seit Jahrzehnten zu unserer Gemeinschaft gehören. Dass türkische Bevölkerungsgruppen durch so ein Theaterstück gegeneinander ausgespielt werden, ist nicht gut für unsere Stadtgesellschaft“, meint König.
Simon Nowack kann nicht verstehen, warum das Kulturforum für diese Veranstaltung im Saalbau grünes Licht gegeben hat, insbesondere nach den Erfahrungen des rechtspopulistischen „Alternativen Wissenskongresses“ 2015. „Wenn man für sein Haus eine Veranstaltung annimmt, sollte man fragen, was denn der Inhalt ist. Besonders, wenn man die Sprache nicht spricht“, meint der Politiker.
Kulturforumschef Dirk Steimann hatte im aktuellen Fall an den Verwaltungsrat geschrieben: „Das Kulturforum nimmt die Bedenken gegenüber dieser Veranstaltung ernst und hat zeitnah Kontakt mit dem Staatsschutz der Polizei NRW aufgenommen sowie die Polizei Witten in Kenntnis gesetzt.“
Nachhilfeverein machte auf Aufführung aufmerksam
Steimann betonte, bei der Veranstaltung handele es sich um eine so genannte Fremdveranstaltung, bei der das Kulturforum den Saalbau an einen externen Veranstalter vermietet.
Steimann wies in einem Schreiben an die Verwaltungsratsmitglieder darauf hin: „Nach Auskunft des Staatsschutzes gehe von der Veranstaltung keine Gefahr aus; der Inhalt des Theaterstückes mag kritisch bewertet werden, die geplante Vorführung verstoße jedoch nicht gegen geltendes Recht.“
Damit besteht für das Kulturforum keine anwendbare Rechtsgrundlage, um das bestehende Vertragsverhältnis aufzulösen. Denn das Kulturforum Witten unterliege grundsätzlich dem Neutralitätsgebot und sei daher verpflichtet, sein kommunales Veranstaltungszentrum unabhängig von persönlicher Meinung oder politischer Präferenz zur Verfügung zu stellen, hieß es in der Stellungnahme des Kulturforumschefs.
Die drei CDU-Mitglieder im Verwaltungsrat seien über die geplante Aufführung von „Letzte Festung Türkei“ zunächst nicht informiert worden, kritisiert Nowack. Der Nachhilfeverein „Lernimpuls“ aus der Berliner Straße, dessen türkischstämmiger Vorstand der Gülen-Bewegung nahestehe, habe seine Partei auf die Saalbau-Vorführung und Werbung dafür aufmerksam gemacht, so der CDU-Politiker. Sein Parteikollege Tobias Grunwald, Mitglied im Verwaltungsrat des Kulturforums, habe daraufhin in der Ratssitzung vor rund zwei Wochen Dirk Steimann auf die Veranstaltung angesprochen.
„Der Vorgang ist weiter in der Prüfung“, sagte der Kulturforumschef jetzt auf Nachfrage dieser Zeitung. Das dürfte sich nun erledigt haben.
>> KOMMENTAR
Weil die Lage in der Türkei angespannt ist und Millionen Türken auch in Deutschland leben, ist die Gefahr groß, dass die Konflikte hier herüberschwappen. Kein Wunder also, dass die Kundgebung mit dem türkischen Ministerpräsidenten am Samstag in Oberhausen von Bürgern, Politik und Polizei mit Anspannung gesehen wurde. Vor diesem Hintergrund ist es umso unsensibler, einer Propaganda-Aufführung wie „Letzte Festung Türkei“, die eher teilt als eint, mit der Vermietung im Saalbau eine Plattform zu geben.
Dem Verwaltungsrat des Kulturforums sollte künftig eine Liste aller Fremdveranstaltungen vorgelegt werden, damit so ein krasser Fehler nicht noch mal passiert – und dann jeder dem anderen den Schwarzen Peter zuschiebt.