Witten. . Karin Vogt-Fischer hat ein seltenes Handwerk erlernt, ist Stickermeisterin. Mit Handarbeiten kann man gut entschleunigen, sagt die 54-Jährige.
Sie benötigt viel Geduld, eine große Fingerfertigkeit und Sinn für Schönes: Karin Vogt-Fischer, Stickermeisterin und als solche in Zeiten der Maschinenstickerei Mitglied einer wohl aussterbenden Zunft. Sie kann Taufkleider, Tischdecken, Handtücher oder Lätzchen für Babys durch ihre Handarbeit in kleine Kostbarkeiten verwandeln. Und stellt sofort klar: „Ich nehme keine Auftragsarbeiten an, dafür habe ich keine Zeit. Ich zeige den Leuten aber, wie es geht.“
Die Leidenschaft für das Handarbeiten, für das Sticken, aber auch das Stricken, Häkeln und Knüpfen wurde ihr quasi in die Wiege gelegt. Denn Vogt-Fischers Mutter Marianne Vogt ist auch Stickermeisterin. 1961 eröffnete sie in der damaligen Kirch-, der heutigen Bonhoefferstraße, ein Handarbeitsgeschäft. Seit 1982 arbeitete die Tochter dort mit, machte ihren Meister und übernahm das Geschäft 2012 von den Eltern.
„Wer etwas selber macht, hat etwas Besonderes“
140 Stunden hat Karin Vogt-Fischer in ihr Meisterstück investiert, einen Wandbehang mit einem gestickten Baum, der große Wurzeln hat. Warum dieses Motiv? „Ich bin bodenständig“, betont die Mutter zweier Töchter schmunzelnd. Wenn sie über ihr Handwerk spricht, leuchten ihre Augen. Altbacken sei das nicht, sagt die Wittenerin. Zwar könnten viele junge Leute bestickten Tischdecken nicht mehr viel abgewinnen – weil man sie zum Beispiel nach dem Waschen wieder in Form zupfen muss. „Die machen Arbeit und heute muss ja alles schnell gehen.“
Trotzdem entdeckten viele Frauen – und auch so mancher Mann – das Handarbeiten in hektischen Zeiten als ein Mittel zur Entschleunigung. „Hinzu kommt: Wer etwas selber macht, hat etwas Besonderes“, sagt Karin Vogt-Fischer. Was sogar Promi-Frauen wie Köchin Sarah Wiener und Biathletin Magdalena Neuner schätzen, die sich beide öffentlich zu ihrer Stricklust bekennen.
Viele können nicht mehr einen Knopf annähen
Nicht-prominenten Müttern, die etwa das Taufkleidchen ihres Babys mit dessen Monogramm verzieren möchten, zeigt die Expertin, wie dies gut gelingt. Auch Kissen für die Ringe bei Trauungen würden gerne bestickt. „Ich mag es nicht bunt. Mir gefallen Sachen, die Ton in Ton gestickt sind, das sieht edel aus“, meint die 54-Jährige. Kundinnen, die zuhause mit ihren Handarbeiten alleine nicht mehr weiterkommen, gibt sie auch Ratschläge am Telefon.
Immer donnerstags trifft sich ein Kreis von Frauen – „dazu auch ein Mann“ – zum gemeinsamen Handarbeiten in ihrem Geschäft in der Johannisstraße. „Jeder macht, was er mag, strickt, häkelt oder stickt. Und ich gebe Tipps.“ Dass Handarbeiten nicht mehr wie früher ein Schulfach ist, bedauert die Stickermeisterin.
Nicht nur, dass Begriffe wie Kreuz-, Platt- oder Knötchenstich heute vielen Menschen nichts mehr sagten. „Wer handarbeitet, trainiert damit auch seine motorischen Fähigkeiten. Und wer nur noch auf dem Smartphone herumtippt, lernt da nichts.“ So seien Männer wie auch Frauen heute oftmals nicht mehr in der Lage, eigenhändig einen Knopf anzunähen. „Die gehen dann damit zur Schneiderin!“