Witten. . „Liebe“ heißt das Programm von Hagen Rether. Doch in den Saalbau brachte der Kabarettist jetzt eher Ernsthaftigkeit als viel Gefühl.

Auch wenn der Titel seines Programms anderes versprach, brachte Hagen Rether jetzt wenig Liebe in den Saalbau. Die Komik blieb an vielen Stellen zugunsten einer tiefen Ernsthaftigkeit auf der Strecke.

„Sie sollen ja auch was geboten bekommen für ihr Geld“, sagte Hagen Rether mit einem Blick auf die Uhr, bevor er nach gut drei Stunden auf der Saalbaubühne schließlich doch noch einmal die Finger auf die Tasten des Flügel legte, um seine Botschaft musikalisch zu untermalen.

Meist kerzengerade, mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem Drehstuhl neben seinem Konzertflügel sitzend, der lange Pferdeschwanz mittlerweile ergraut, breitete der Kabarettist den Zuschauern die Widersprüche und Absurditäten, Verstrickungen und Wertumdeutungen der Welt, in der wir heute leben, aus.

Und so sinnierte Rether, mal mit einem weißen Plastikring spielend, mal eine Banane kauend oder mit Sprühflasche und Poliertuch den Flügel umrundend auf seine meist stille, fast grummelige Art über die Bequemlichkeit der Menschen, die es sich in ihrer Komfortzone bequem machen und den Möglichkeiten des Internets nicht gewachsen sind: Sie seien „wie laserschwertschwingende Neandertaler“, „Testosteronprüglern“, bei denen Leistungsdruck, „Turbokapitalismus“ und „Talkshowdemokratie“ zu Haltungsschäden führen. Mit hoher sprachlicher Präzision und Schärfe enthüllt er Unzulänglichkeiten, Verlogenheiten und ethische Widersprüche der Gesellschaft -- „keiner kann später behaupten, wir hätten es nicht gewusst“, lautete seine Hauptbotschaft des Abends.

Besucher loben Aktualität und Pointen des Programms

„Mir gefällt die Tagesaktualität seiner Vorstellung“, sagt Zuschauerin Lisa Müller (52). „Sein Umgang mit der deutschen Sprache und sein Humor, der darin besteht, dass er auf analytischer Basis gut Pointen setzen kann.“—„Ich finde ihn sehr negativ. Er gibt sich als Weltverbesserer, legt überall den Finger in die Wunde, aber das Gute fehlt“, bilanziert Karl-Heinz Löffler (66).

Ein veganes Leben, gewaltfreie Kommunikation als Schulfach und vor allem Werte zu leben, sie zu manifestieren und ihnen dadurch zu Strahlkraft verhelfen, das waren die Appelle des Kabarettisten an die Zuschauer.

Während in der ersten Hälfte des Abends die Ausführungen des studierten Musikers immer dynamischer wurden und das Publikum durch ad absurdum geführten menschliche Unzulänglichkeiten einiges zu lachen hatte – auch wenn Rether wirkte, als reiße er die Witze widerwillig -- musste es in der zweiten Hälfte Ausdauer an den Tag legen. „Man fühlt sich nicht unbedingt gut nach so einem Abend, an dem einem ein Spiegel vorgehalten wurde“, resümiert Zuschauer Burkhard Maaß (35). „Und natürlich waren auch ein paar Längen dabei. Aber ein einziges Dauerfeuer kann es eben auch nicht geben.“

Mit einem „seien Sie gut zu Ihren Kindern“ schickte der Kabarettist die Zuschauer schließlich in die Nacht.